: Neonazi-Infosystem gekappt
■ Bundesweite Großaktion der Hamburger Staatsanwaltschaft gegen Kunden von Propaganda-Material der NSDAP/AO Von Peter Müller
Die Hamburger Staatsanwaltschaft und das Bundeskriminalamt (BKA) haben gestern zum großen Schlag gegen die Neonazi-Szene ausgeholt: Mehrere hundert Polizisten durchsuchten bundesweit 80 Objekte – darunter auch zwei Wohnungen von Hamburger Neonazis. Hamburgs Staatsanwaltschaftssprecher Rüdiger Bagger: „Die Aktion Atlantik II richtete sich gegen Bezieher von Propagandamaterial der NSDAP/AO.“
Die „NSDAP/AO“ („Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei – Auslands- und Aufbauorganisation) ist in der Bundesrepublik verboten und hat ihre Zentrale in die USA nach Lincoln/Nebraska verlegt. Dort stellt seit über 20 Jahren Gary Rax Lauck Propaganda-Material für die deutsche Neonazi-Szene her. Ein Verfassungsschützer: „Praktisch das gesamte Propaganda-Material, das hier in neonazistischen Kreisen vertrieben wird, kommt in erster Linie aus den USA von Gary Lauck.“
Das Amtsgericht Hamburg hat bereits vor geraumer Zeit auf Antrag der Staatsanwaltschaft gegen Lauck einen Haftbefehl erlassen. Die Ankläger werfen Lauck Volksverhetzung, Anstachelung zum Rassenhaß sowie Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung vor. Aus diesem Grund hatte die Hamburger Staatsanwaltschaft auch die Federführung bei der gestrigen Aktion von BKA, Bundesamt für Verfassungsschutz und mehreren Landes-Verfassungsschutzämtern.
Überaschend ist Gary Rex Lauck am Montag auf Ersuchen der Bundesrepublik in Dänemark festgenommen worden und befindet sich seither in „vorläufiger Auslieferungshaft.“ Die Hamburger Staatsanwaltschaft wird nun über die Bundesregierung bei den dänischen Behörden ein „Ausliefe-rungsersuchen“ stellen.
Für die gestrige Aktion „Atlantik II“ hatte die Hamburger Staatsanwaltschaft beim Amtsgericht Hamburg mehrere Durchsuchungsbeschlüsse erwirkt, die sich bundesweit gegen 56 Personen richten. Bagger: „Die Aktion sollte deutlich machen, daß jeder strafrechtlich zur Verantwortung gezogen wird, der glaubt, sich auf diesem Weg heimlich Nazipropaganda besorgen und dann hier verbreiten zu können. Wir hoffen, nun auch endlich an die Drahtzieher heranzukommen.“
Bagger wollte allerdings Informationen des Nachrichtenmagazins „Panorama“ aus Verfassungsschutzkreisen nicht bestätigen, wonach 50 Prozent der Gary Lauck-Kunden auch Kontakte zu Gruppen wie der FAP, NPD, DVU, Republikanern, Deutsche Liga und Deutsche Nationalisten haben. „Dazu nehmen wir keine Stellung. Wenn Panorama Infos von irgendwelchen Diensten hat, ist das nicht unsere Sache“, so Bagger: „Die Aktion richtete sich ausschließlich gegen Besteller. Das andere hat uns nicht interessiert.“
Hamburgs Justizsenator Klaus Hardrath zeigte sich zufrieden über „Atlantik II“: „Die heute durchgeführte Aktion unterstreicht die Entschlossenheit der Justiz und der Sicherheitsorgane, den Rechtsextremismus mit allen rechtsstaatlichen Mitteln nachdrücklich zu bekämpfen.“ Justizsenator Hardrath sprach dem Bundeskriminalamt und der Staatsanwaltschaft seinen Dank aus: „Beide haben in gemeinsamer monatelanger und mühevoller Vorarbeit die Weichen für die hervorragend organisierte Aktion, deren Ergebnisse noch auszuwerten sind, gestellt.“
Siehe auch Seite 4
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