: „Eine Sache der Ehre“
■ Kids aus sozialem Brennpunkt drehen einen Film Von Andreas Albert
Die Kids nennen ihre Siedlung „das Ghetto“. Am Rande Eimsbüttels ragen die Wohntürme der Lenzsiedlung in den Himmel. Gegenüber auf einer Wiese, in den Pavillons des Vereins Offene Jugendarbeit Lenzsiedlung, wird Sozialarbeit geleistet. Die Jugendlichen werden mit Graffiti-Workshops, Fahrradselbsthilfe oder Disco vom Alltag abgelenkt. In den Frühjahrsferien wurde hier ein Film gedreht über ein alltägliches Problem: Ausländerfeindlichkeit.
Von der Staatspolitischen Gesellschaft wurde der Film, Titel: „Eine Sache der Ehre“, mit 12.000 Mark gesponsort. Die Handlung ist schnell erzählt: Zwei Mitglieder rivalisierender Jugendbanden werden durch die Heirat ihrer Eltern zu Stiefbrüdern. Der Sohn des deutschen Vaters ist bei den ausländerfeindlichen Krauts, der Sohn der ausländischen Mutter bei den Tropics, einer aus AusländerInnen bestehenden Gruppe, organisiert.
Ein Briefbombenattentat der deutschen Jugendlichen auf den Chef der türkischen Gang läßt die Gewalt eskalieren, es kommt zu einer Massenschlägerei mit mehreren Verletzten. Im Krankenhaus treffen sich beide Bandenchefs. „Ein Happy-end wird es aber nicht geben,“ verspricht Regisseur Thomas Hiesener. Soweit ist das Drehbuch, das gemeinsam mit den Jugendlichen entstand, an der Realität orientiert.
Bei den Dreharbeiten ging es recht professionell zu. Das Briefbombenattentat wurde im Fahrstuhl eines Wohnturms mit pyrotechnischen Mitteln nachgestellt. Die Massenschlägerei auf einem Spielplatz in Ottensen erforderte neun Stunden Drehzeit. Die Krankenhausszene wurde im AK Heidberg gedreht. Das siebenköpfige Aufnahmeteam hatte viel zu tun, um die Jugendlichen zu organisieren. Die waren mit Spaß bei der Sache, aber nur schwer unter Kontrolle zu kriegen. „Am Schluß ging es besser,“ sagte Mitarbeiter Frank Switala, „langsam merkten sie, daß wir schneller fertig wurden, wenn sie auf uns hörten.“
Der Film ist eine Gemeinschaftsproduktion zwischen der Lenzsiedlung und der Jugendarbeit Tarpenwinkel in Langenhorn. Regisseur Hiesener arbeitet dort als Sozialarbeiter; er hatte schon in der Lenzsiedlung kleinere Filmprojekte geleitet. Noch eine Tatsache sprach für die Co-Produktion: In die Jugendarbeit Lenzsiedlung kommen hauptsächlich ausländische Jugendliche. „Die Deutschen haben sich seit Anfang der 80er verdrängen lassen“, sagt Sozialarbeiter Thomas Ide. Die Versuche, sie wieder einzugliedern, würden schleppend verlaufen. Im Tarpenwinkel in Langenhorn ist die Situation umgekehrt. Hierher kommen hauptsächlich Jugendliche aus der Hip-Hop-Szene. Für sie gab es Identifikationsprobleme: Vor der Kamera mußten sie sich als Neonazis darstellen.
Eine Annäherung der Jugendlichen über das Projekt Film fand nicht in der gewünschten Weise statt. „Die sind zu jung, das ist nicht meine Generation“, sagte der zweiundzwanzigjährige Hauptdarsteller aus der Lenzsiedlung. Für ihn stehe der Film im Vordergrund. Auch für den Regisseur wurde der medienpädagogische Anspruch schnell zur Nebensache: „Das ist zu anstrengend. Wir drehen täglich bis zu zwölf Stunden und wollen den Film zu Ende kriegen.“ Schließlich soll der Streifen auch aufgeführt werden, hauptsächlich in Jugendeinrichtungen. Daneben hoffen die FilmemacherInnen auf ein größeres Publikum: Der Film soll an Jugendfilmfestivals verschickt werden und im Herbst dieses Jahres auf dem abgezoomt SchülerInnenfilmfestival laufen.
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