Star wider Willen

■ Nina Hoss eröffnet als "Das Mädchen Rosemarie" eine Reihe von Remakes deutscher Filmklassiker (20 Uhr, Sat.1)

Dracula, der Untote, erhebt sich wieder und wieder aus seinem Grab. Robin Hood und Sherlock Holmes sind auch nicht totzukriegen. Alle paar Jahre feiern diese unsterblichen Figuren ihre Auferstehung auf der Leinwand. Auch die Geschichte der Edelhure Rosemarie Nitribitt läßt die Gemüter nicht ruhen – zumindest nicht die der Deutschen. Nach ihrem rätselhaften Tod 1957 schrieb Erich Kuby ein Buch über die Frankfurter Prostituierte, und Rolf Thiele drehte einen Film nach Kubys Text mit Nadja Tiller in der Hauptrolle.

Jetzt kehrt „Das Mädchen Rosemarie“ wieder, auf Sat.1. Mit diesem Film startet der Mainzer Privatsender die Reihe „German Classics“. Hinter diesem eher an Tennis- und Golfturniere gemahnenden Begriff verbergen sich die Neuverfilmungen erfolgreicher deutscher Kinofilme aus den fünfziger Jahren: Darunter auch „Es geschah am hellichten Tag“ oder „Die Halbstarken.“

In Anbetracht dessen, was Sat.1 sonst so im Angebot hat, liegt der Verdacht nahe, daß es sich hier um eine Ansammlung schnell abgekurbelter Aufgüsse handeln könnte. Doch dieser Verdacht ist – zumindest im Falle Rosemarie – unbegründet. Mit viel Aufwand und Liebe zum Detail malt der Produzent und Regiedebütant Bernd Eichinger ein Bild der Sitten und Gebräuche aus Zeiten des deutschen Wirtschaftswunders und schaffte es so zum Überraschungssieger bei den Hofer Filmtagen. Zwar hat es sich Eichinger nicht nehmen lassen, mit Til Schweiger (Nadler) und Heiner Lauterbach (Hartog) zwei veritable Zombies des neuen deutschen Unterhaltungsfilms zu engagieren, aber Gott sei Dank hat er wenigstens Katja Riemann aus dem Spiel gelassen, als es um die Hauptrolle ging.

Noch schöner: Er hat sich für Nina Hoss entschieden, eine bisher völlig unbekannte junge Berliner Schauspielschülerin. Allein schon ihr Anblick ist eine Wohltat, denn ein neues Gesicht tat dringend not im deutschen Film. Schade nur, daß neuen Gesichtern schnelle Verheizung droht: Vor einem Monat saß Nina Hoss bereits bei Roger Willemsen, und diese Woche hat sie Harald Schmidt ganz im Sinne der Sat.1-Cross-Promotion als neues Fräuleinwunder abgefeiert. Selbst die sonst eher spröde Frankfurter Rundschau entdeckte plötzlich ihre Libido: „Nina Hoss gehört der Film, ihr hat der Regisseur den Film geschenkt.“

Schon strange: Kaum legt eine 24jährige Schauspielerin ihre primären Geschlechtsmerkmale für den Freier (im Film) und die Zuschauer (zu Hause) frei, schon schwadronieren alle von Starkino. Der Star selbst wiederum läßt nichts unversucht, so zu tun, als ginge ihm der Medienspuk an eben diesem hochgelobten Arsch vorbei. Gebetsmühlenartig betont Nina Hoss ihre Verbundenheit zur Schauspielschule und ihren Hang zu häßlich machender Kleidung. Am liebsten trägt sie Jeans und Strickjacke.

Bei den weiteren Akteuren hat Eichinger wiederum auf verläßliche Qualität gesetzt: Mathieu Carrière als französischer Erpresser, Hannelore Elsner als Hartogs klügere Schwester Margot, Katja Flint als dessen Verlobte und Horst Krause als dicker Fabrikant. Damit auch die Einschaltquoten stimmen, ist das Remake natürlich nicht so prüde wie das Original. Während in Schwarzweiß ein biederer Erzähler mit „dieselbe Dame, ein anderer Herr“ nur verbale Indizien des Berufs der Nitribitt lieferte, gibt es heute abend die nackten Beweise in Farbe. Stefan Kuzmany