: Jemand, der gern inszeniert
■ Josef Wutz, Geschäftsführer des Hamburger Filmfestes, über den Stand der Filmfest-Dinge
Hamburg und seine Filmfeste, das war bislang eine recht eigene und nicht eben glückliche Geschichte. Aus der Zusammenlegung von Kinotagen und Low-Budget-Festival entstanden, fiel das erste Hamburger Filmfest im Jahre 1992 durch, mit Pauken und Trompeten. Folge: Die Geschäftsführerin Rosemarie Schatter wurde umstandslos gefeuert, ein Jahr später fiel das Filmfest aus. Als dann 1994 ein neuer Anfang gewagt wurde, mit neuem Elan und dem neuen Geschäftsführer Gerhard von Halem, lief das Filmfest zufriedenstellend. Allerdings fuhr es ein Defizit von 400.000 Mark ein. Folge: Gerhard von Halem wurde entlassen. Dieses Jahr wird nun vom 20. bis zum 24. September Hamburgs drittes Filmfest unter dem dritten Geschäftsführer Josef Wutz stattfinden. Diesmal soll es besser laufen, wie Josef Wutz im Gespräch bestätigte.
taz: Wie weit sind die Vorbereitungen für das Festival denn bis jetzt gediehen?
Josef Wutz: Anfang dieser Woche habe ich gerade den ersten Entwurf zum Wirtschaftsplan fertiggestellt. Der wird jetzt mit den Gesellschaftern des Festivals besprochen, dann werden gegebenenfalls Änderungen aufgenommen, und der Plan wird verabschiedet. Daraufhin wird er der Kulturbehörde zugehen, dann werden wir weitersehen.
Wie sieht es denn nach dem gegenwärtigen Stand aus?
Ich kann nur sagen, ich finde es bedauerlich, daß wir dieses Jahr 200.000 Mark gegenüber dem letztjährigen Etat einsparen müssen. Wie Sie ja wissen, müssen wir das 94er-Defizit jeweils zur Hälfte dieses und nächstes Jahr ausgleichen. Ich hätte im Moment bestimmte Drehungen und Wendungen nicht nötig, wenn ich diese 200.000 Mark tatsächlich hätte. Wir kriegen das aber hin. Bestimmte Sponsoren aus dem letzten Jahr sind ja wieder dabei, und es gibt weitere gut laufende Verhandlungen. Eines ist ganz klar: Es wird das Festival 1995 geben. Das Festival wird im Prinzip das bieten, was es letztes Jahr geboten hat, nämlich gute, attraktive Filme, einen Haufen internationaler Gäste inklusive einiger Stars. Es wird nicht weniger Filme geben als im letzten Jahr.
„Kein Grund zur Panik“
Es wird zusätzlich, wie es im Moment aussieht, Fernsehproduktionen geben. Und möglicherweise zeigen wir auch Videopremieren. Auf dem Münchner Filmfest etwa wird das seit zehn Jahren gemacht, denn teilweise wirklich gute Filme kommen aus irgendwelchen Gründen nie ins Kino und sind dann nur auf Video zu sehen.
Also allgemeine Entwarnung?
Ich weiß gar nicht, wer jemals Alarmstimmung hatte oder auch wer die gemacht hat.
Gerhard von Halem etwa sprach davon, dieses Jahr sei nur eine kleine Gurkennummer möglich.
Die Geschichte mit dem Gurkenfestival, da habe ich keine Lust zu verstehen, warum jemand, der nicht mehr dabei ist, so reagieren muß. Es ist doch so: Im letzten Jahr wurde das Filmfest nicht erfunden, ich erfinde es auch nicht. Was dazugehört, weiß man. Und die 200.000 Mark mehr oder weniger sind nicht der Punkt, etwas Gutes zu machen. Zumindest seit dem Tag, an dem bekannt wurde, daß ich das mache, gab es keinen Grund zur Panik.
Was wollen Sie denn konkret machen?
Sehen Sie, ich bin jemand, der gerne inszeniert. Und ich frage mich, warum man nicht auf der einen Seite ein bißchen Glamour, der nicht aufgesetzt ist, und Diskussionen auf der anderen Seite zusammenbringen kann. Nächste Woche kommen Dustin Hoffmann und Wolfgang Petersen nach Hamburg, etwas von diesem Kaliber können wir doch auch auf dem Filmfest machen. Und dann sollte man nicht vergessen, was es in dieser Stadt schon alles gegeben hat. Ich denke da an die Diskussionen, die Ende der 80er Jahre um die Kinotage passiert sind, oder an die Veranstaltung Screen and Script, wo Filmschaffende aus Europa und aus Hamburg zusammengekommen sind und ohne Getue, ohne Schickimicki diskutiert haben. Die Stars und die Diskussionen, das sind zwei Seiten einer Medaille, oder besser gesagt: zwei Seiten eines Würfels, es gehören ja noch mehr Sachen dazu. Man muß beides berücksichtigen. Ich möchte, daß wirklich etwas passiert.
Was für Filme werden kommen?
Das zu sagen, ist es noch zu früh. Es gibt aber einige recht ermutigende Gespräche, es könnte etwa sein, daß Jim Jarmusch seinen neuen Film in Hamburg präsentieren wird, das werden wir sehen. Insgesamt fände ich es schon hervorragend, wenn es großes Kaliber aus Hollywood zur Promotion eines neuen Films in Hamburg wäre. Der wäre dann nicht nur ein Schmuckstück fürs Festival, den würde ich auch durch das Filmfest feiern. Und auf der anderen Seite möchte ich auch deutsche Filme, amerikanische Independent-Filme, Produktionen aus Australien, aus Südostasien hier haben, gerade diese ganz spezifisch regionalen Filme hatten ja in letzter Zeit vermehrt Erfolg. Die müssen hier sowohl in die Kinos als auch aufs Festival.
„Ich möchte, daß etwas passiert“
Sie sprachen davon, Fernsehproduktionen in das Programm zu integrieren? Sie sehen das Verhältnis zwischen Kino und Fernsehen also pragmatisch?
Pragmatisch und auch strategisch. Gute Filme machen ihren Weg im Kino, das wird kein Fernsehen ändern können. Auf der anderen Seite muß man sehen, welche Berührungsängste von den Kreativen her wegfallen sollten. Ohne jemand auf die Füße treten zu wollen: Die Filmszene in Hamburg besteht zu weit mehr als drei Vierteln aus Fernsehen. Warum sollte sich da das Filmfestival dem nicht öffnen? Es gibt beispielsweise eine ganze Reihe von Produzenten in Hamburg, die Serien produzieren. Diese Serien haben einen Pilotfilm. Und so einen Pilotfilm als Vorpremiere auf dem Filmfest zu zeigen halte ich für recht und billig und darüber hinaus auch für sehr attraktiv.
Fragen: Dirk Knipphals
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