: "Diepgen war kein Thema"
■ Der CDU-Abgeordnete Lehmann-Brauns führte zu DDR-Zeiten kulturpolitische Gespräche mit dem Chef der Ost-Berliner Akademie der Künste. Informationen für das Stasi-Dossier "Schiller" über den Regierenden Bürgermeist
taz: Herr Lehmann-Brauns, wußten Sie, daß Sie die Kontaktperson „Schiller“ sein sollen?
Uwe Lehmann-Brauns: Nein. Vor einem Jahr erhielt ich zwar privat den Hinweis auf „Schiller“ und wandte mich daraufhin an die Gauck-Behörde. Ich erhielt aber die Antwort, daß es keinen diesbezüglichen Hinweis gebe.
Kannten Sie denn die Akte von „Schiller“ vor der Veröffentlichung im Spiegel ? Das Dossier, in dem CDU-interne Ansichten über die politische Stellung des Regierenden Bürgermeisters Eberhard Diepgen dargestellt werden?
Nein.
Hatten Sie jemals wissentlich Stasi-Kontakte?
Eindeutig nein. Offenbar sind die wenigen Gespräche, die man hatte in der DDR-Zeit, von Leuten aufgeschrieben worden.
Was waren das dann für Gespräche, die Sie mit einem Vertreter der Akademie der Künste geführt haben?
Ich war der Rechtsvertreter des Barlach-Nachlasses, der zu großen Teilen in der DDR lag. Ich wurde als Anwalt eingeschaltet, um zwischen den Erben aus dem Westen und der DDR zu vermitteln.
Unser Verhandlungspartner war die Akademie der Künste und dort der Generaldirektor Herr Schnabel. Nach Abschluß des Vertrages habe ich bis zum Fall der Mauer die Kontakte weitergeführt. Es ging dann um die Realisierung des Vertrages. In den 80er Jahren gab es dann in ganz beschränktem Maße einen kulturpolitischen Austausch.
Welche politischen Ziele haben Sie mit diesem kulturpolitischen Austausch verfolgt?
Unser Interesse – immer im Wissen und im Einverständnis meiner Partei – war es, ein kleines Fenster zu haben, um da mal reinzusehen in die DDR, um in Kontakt mit Künstlern zu kommen. Aber das war mit dem Herrn Schnabel ja gar nicht zu machen. Der war ein höflicher, aber harter Kommunist, und ich war ein höflicher und harter Kalter Krieger.
Und Sie haben nie Verdacht geschöpft, daß Sie als Informationsquelle dienen könnten?
Nein. Es gab doch auch keinen Grund. Ich glaube auch nicht, daß Herr Schnabel etwas von mir notiert und weitergegeben hat. Ich galt als feindselig negative Person. Seit 1987 stehe ich auf der Fahndungsliste der DDR, wie ich den mir heute zugänglichen MfS-Akten entnehme.
Wo haben Sie denn sonst über Herrn Diepgen gesprochen?
Ich habe nirgenwo über Eberhard Diepgen gesprochen. Erstens weiß ich nichts über Herrn Diepgen über das hinaus, was ich aus dem Parlament weiß. Ich gehöre nicht zu seinem Freundeskreis. Und zweitens war es eben auch nicht Thema.
Ich vermute, hier im Westen war einer in meiner politischen Umgebung sowohl auf mich als auch auf andere aus dem Deutschlandpolitischen Arbeitskreis der CDU angesetzt. Ich vermute, es war ein Wessi, der in verschiedenen Bereichen der CDU aktiv war, wahrscheinlich waren es mehrere. Ich war wohl nur einer von vielen, die abgeschöpft wurden.
Wenn Sie jetzt als Quelle betrachtet werden, verändert das nicht Ihre Sicht auf den brandenburgischen Ministerpräsidenten Manfred Stolpe, dem Sie seine Kontakte mit der DDR-Regierung als IM-Tätigkeit vorwerfen? Können Sie die Anwürfe gegen ihn aufrechterhalten?
Das ist doch ein ganz großer Unterschied. Der wußte doch, daß er mit dem Teufel Abendbrot aß.
Die Vorwürfe erhalten Sie aufrecht?
Aber selbstverständlich.
Ändert es Ihre Sichtweise auf MfS-Quellen generell, wenn Sie jetzt auch in diesem Zusammenhang erwähnt werden?
Ich gehöre zu den Personen, die auch Gesprächspartner hatten, die abgeschöpft wurden. Weshalb sollte ich meine Haltung relativieren? Im Gegenteil, ich werde meine Bemühungen, diese Vergangenheit aufzuklären, erst recht fortsetzen. Interview: Barbara Junge
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