piwik no script img

Unterm Strich

Den Christkindls-Markt gibt es jetzt schon, aber aus größeren kulturellen Weihen wird nichts. Die fränkische Metropole Nürnberg muß offenbar endgültig ihre Hoffnungen begraben, im Jahr 2000 als Kulturstadt Europas zu firmieren. Die neun europäischen Städte, die von der EU offiziell mit diesem Titel bedacht wurden, beschlossen einstimmig, Nürnberg nicht in ihre Zusammenarbeit einzubeziehen, wie ein Sprecher der Stadt gestern bestätigte: „Für uns hat sich die Sache erledigt.“ Nürnberg war vom EU-Ministerrat zwar zu keiner Zeit für die Auszeichnung vorgesehen, machte sich jedoch Hoffnungen, im Schlepptau der gekürten Partnerstadt Krakau an dem Programm teilzunehmen. Die neun Städte Avignon, Bergen, Bologna, Brüssel, Helsinki, Krakau, Prag, Reykjavik und Santiago de Compostela sahen dies aber anders. Bei einem Arbeitstreffen in Kopenhagen erteilten sie kürzlich der eigens angereisten Nürnberger Bürgermeisterin Helen Jungkunz eine Abfuhr.

Viel Applaus gab indes für deutsches Theater in Paris beim Festival d'Automne. Zum einen waren alle 18 Aufführungen von Nabokovs Stück „Der Pol“ ausverkauft, das Klaus Michael Grüber in der Berliner Schaubühne inszenierte. (Unsere Theaterredakteurin fand's seinerzeit eher mühsam.) Minutenlange Ovationen gab es zum anderen für Martin Wuttke und Marianne Hoppe, die in der BE-Inszenierung von Heiner Müllers „Quartett“ auf der Bühne standen. Marie Collin, die das Theater- und Tanzprogramm beim Pariser Herbstfestival gestaltet hat, sieht in den Publikumserfolgen ihre zwanzig Jahre währende Zusammenarbeit mit den Deutschen bestätigt.

Die einstigen Theaterrebellen Peter Zadek, Peter Stein und Klaus Michael Grüber gelten offenbar noch immer als die legitimen Repräsentanten des aktuellen deutschen Theaters. Die auch schon nicht mehr ganz jungen jungen Wilden des deutschen Theaters haben es dagegen schwer. „Ich habe Inszenierungen von Leander Haußmann in Bochum und von Frank Castorf in Berlin gesehen“, sagte Frau Collin. „Sie haben mir überhaupt nicht gefallen.“ Und werden 1997 prompt nicht eingeladen. Als einziger „junger“ Regisseur wird im nächsten Jahr der in Deutschland arbeitende Schweizer Christoph Marthaler mit Ödön von Horváths Stück „Kasimir und Karoline“ und dem Ensemble des Hamburger Schauspielhauses an der Seine vorspielen. Ein blind date – die Inszenierung hat erst morgen Premiere!

Am Samstag berichtete unser Autor Wilfried Weinke von einer Hagener Ausstellung über Sanary- sur-Mer, Zufluchtsort deutscher Schriftsteller vor den Nazis und auch ihre Sommerfrische. Da gilt es, noch eine Quellenangabe nachzutragen. Heinke Wunderlich und Stefanie Menke haben im J.B. Metzler-Verlag herausgebracht: „Sanary-sur-Mer. Deutsche Literatur im Exil“. Stuttgart 1996, 293 Seiten, 38 DM.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen