: Nackte Zahlen über die Kälte
■ Auch der kommende Winter wird hart. Das meint jedenfalls ein Meteorologe, der die Wetterstatistiken genau auswertet: Der letzte Winter war der siebtkälteste seit 1890
Die frostigen Nächte vor dem kalendarischen Winteranfang könnten schon so etwas wie ein Signal sein: Der Winter 1996/97, so sagt es der Rostocker Meteorologe Reiner Tiesel voraus, wird zumindest den Norddeutschen seine kalte Schulter zeigen. „Viele Anzeichen deuten auf einen eher strengen Winter“, meint der promovierte Wetterfachmann.
Während die meisten seiner Kollegen bei langfristigen Vorhersagen vorsichtig sind, wagt sich Tiesel stets frühzeitig an jahreszeitliche Prognosen. Dazu habe er zwar keine aussagefähigeren Daten als andere Meteorologen, doch sein Blick in die Vergangenheit sei wohl gründlicher, meint er. „Ich versuche, Geheimnissen des Wetters unter anderem mit der Analogiemethode auf die Spur zu kommen“, erläutert Tiesel. Das Analogieverfahren sei eine wissenschaftliche Methode, für die man allerdings große Datenreihen brauche. Und die besitzt der Meteorologe, der aus seinen Übersichten eine Fülle von Details über das Wetter seit 1890 ableiten kann.
„Betrachtet man über einen Zeitraum von mindestens 50 Jahren ähnlich verlaufende Winter oder auch Sommer und untersucht dann die jeweiligen Nachfolger, dann erzielt man im Analogiefall für die Zukunft schon eine erstaunlich hohe Trefferwahrscheinlichkeit“, erklärt der Meteorologe. Nach diesem Prinzip lasse der Blick auf den knackigen Winter 1995/96 den Schluß zu, daß auch die bevorstehende Kälteperiode ihrem Namen wahrscheinlich alle Ehre machen werde.
„Der letzte Winter steht in einer Kälte-Hitliste der letzten fünfzig Jahre immerhin an vierter Stelle, seit 1890 ist er auch noch die Nummer 7“, sagt Tiesel nach einem Blick in seinen Computer. Der folgende Sommer war dann etwas zu warm. Seit Kriegsende verliefen nur in fünf Fällen Winter und Sommer so ähnlich wie dieses Winter- Sommer-Pärchen. „Und in 70 bis 80 Prozent der früheren Beispiele wurde dann auch der Nachfolgewinter recht kalt: Die Wahrscheinlichkeit ist ziemlich groß, daß wir uns warm anziehen müssen.“ Für einen kommenden kalten Winter spreche auch, daß seit etwa siebzig Jahren nach längeren Perioden milder Winter meist zwei kalte folgten. Die Dauer der warmen Perioden liege jeweils zwischen sieben und neun Jahren, und der vorerst letzte milde Zeitraum von 1987/88 bis 1994/95 habe genau dem Mittel entsprochen. Dann gab es den frostigen Vorjahreswinter, nun steht der Statistik zufolge die nächste eisige Runde an. Deren Vorboten seien auch die frühzeitigen Kaltluftperioden im November. Dadurch kühle die Ostsee recht schnell aus, erläutert Tiesel. Die Schutzschildfunktion der See gegen die im Winter anströmende Kaltluft aus dem Norden werde auf diese Weise spürbar abgeschwächt. Klaus Rebuschat/dpa
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