piwik no script img

Bremer Ausländeramt geht „sehr unanständig“ vor

■ Gambias Honorarkonsul fürchtet Rufschädigung durch Bremer Ausländerbehörde: „Wir wurden verkohlt“ / Richter sollen heute über die Abschiebehaft leidtragender Asylbewerber entscheiden

ie Bremer Ausländerbehörde hat neue Feinde. Scharfe Kritik an ihrer Arbeitsweise kommt aus Düsseldorf – vom (deutschen) Honorarkonsul des westafrikanischen Staates Gambia.

Nach RechtsanwältInnen, Flüchtlingsinitiativen und dem Bremer Anti-Rassismus-Büro mißbilligt nun auch der in Nordrhein-Westfalen ansässige Honorarkonsul die massenhafte Einzelbefragung von westafrikanischen Asylsuchenden, wie sie vor fünf Wochen im Bremer Ausländeramt stattfand. Einer seiner Mitarbeiter, ein Dolmetscher, wirkte daran zwar maßgeblich mit; aufgrund seiner Aussagen sitzen jetzt zehn Asylbewerber in Abschiebehaft. „Aber wenn wir gewußt hätten, was da geschieht, wäre unser Mann nicht gekommen“, betont die Ehefrau und Sprecherin des Konsuls, Ursula Becker. Das Vorgehen der Bremer Behörde sei „sehr unanständig“ gewesen. Der Leiter der Bremer Abschiebegruppe, Uwe Papencord, habe sie regelrecht „angekohlt“. Die für Januar geplante weitere Zusammenarbeit sei deshalb abgesagt. „Das alles schadet dem Ansehen Gambias.“ Was ist geschehen?

Rückblende zum 16. November dieses Jahres: Gemeinsam mit einem nigerianischen Mitarbeiter der Zentralen Ausländerbehörde Bielefeld (ZAB), befragt der gambische Dolmetscher zahlreiche westafrikanische Flüchtlinge. Deren gemeinsamer Hintergrund: Ihr Asylantrag war zwar abgelehnt worden, weil sie aber angeben, aus Sierra Leone und Liberia zu kommen, werden sie in Deutschland geduldet. Um ihre Herkunftsangaben aber zu prüfen, wurden sie für minutenkurze Einzelinterviews im November vor die vermeintlichen Experten gebeten. Ein betroffener Liberianer, der seit 1994 in Bremen lebt, schilderte dies gegenüber der taz: „Der Gambier fragte mich, aus welchem Land ich komme, wie der Präsident von Liberia zum Zeitpunkt meiner Flucht hieß und wie mein Heimatdorf heißt.“ Nach ein paar weiteren Fragen sei das Interview nach drei Minuten beendet gewesen. Seine Duldung wurde verlängert – anders als die von Bekannten und Landsleuten.

Innensenator Ralf Borttscheller (CDU) lobte seine Ausländerbehörde nach der Aktion für den „engagierten Einsatz“. Dieser sei geboten, weil immer mehr Asylsuchende ihre „wahre Staatsangehörigkeit zur Erschleichung einer Duldung verschleiern“. Hintergrund: Wer aus Sierra Leone oder Liberia kommt, kann in die vom Bürgerkrieg zerissenen westafrikanischen Staaten nicht zurückgeschickt werden. Afrikaner, die deshalb eine falsche Nationalität angeben, sollten von den beiden afrikanischen „Experten“ entlarvt werden. Die Asylbewerber waren dafür per Trick ins Ausländeramt gelotst worden: Just am Tag der Befragung lief ihre Duldung aus. Ohne daß sie informiert worden waren, mußten sie bei den „Experten“ vorsprechen.

„Daß es bei solch einem Vorgehen zu Tumulten kommt, wundert mich nicht“, kommentiert Konsularssprecherin Ursula Becker die Auseinandersetzungen, zu denen es zwischen Asylbewerbern und Behördenmitarbeitern gekommen war. Das Ganze sei völlig unseriös geplant gewesen. Ihr Mitarbeiter habe gar nicht die nötige Zeit für eingehende Befragungen gehabt, wie dies gerade bei Zweifelsfällen üblich sei. Dafür sei „der arme Mann völlig fertig nach Hause gekommen“. Kein Wunder: „Statt der verabredeten 20 Personen sind wohl über 70 geladen worden.“ Das ärgert die Gattin des Honorarkonsuls umso mehr, als sie für den Dolmetscher – zugunsten der deutschen Steuerzahler, „die doch für all das zahlen“ – ein vergleichsweise bescheidenes Salär aushandelte.

Bremer Anwälte sehen ganz andere Ärgernisse. Sie nennen das Prozedere der Behörde „skandalös“. Gegen die „Expertenbefragung“ und gegen die darauf begründete Festnahmen ihrer Mandanten haben sie Widerspruch eingelegt. Argumentationshilfe liefert ihnen dabei die Gambische Botschaft in Brüssel.

Der dortige Botschaftsrat Dr. Omar Tourey nämlich ist über ein Mitwirken gambischer Botschaftsvertreter an den Interviews nicht informiert worden – dabei ist allein seine Botschaft für das Land Bremen zuständig. Das weiß man auch im Bonner Auswärtigen Amt ganz genau, seit im Herbst letzten Jahres die Münchner Honorarkonsulin für Gambia bei einer – später untersagten – Aktion mitwirkte: Sie half beim Ausstellen von Paßersatzpapieren für vermeintlich gambische Asylbewerber in Hamburg. Die Gambische Vertretung in Brüssel reagierte, indem sie ihre deutschen KonsulInnen anhielt, nur innerhalb ihres jeweiligen Territoriums tätig zu werden.

Das könnte auch Folgen für die Bremer Aktion haben. Botschaftsrat Tourey jedenfalls betont: „Wir werden nur solche Personen nach Gambia einreisen lassen, die unzweifelhaft Gambier sind.“ Dies werde in der Regel durch einen persönlichen Kontakt mit der Botschaft festgestellt. Völlig außerhalb deren Aufgabengebietes liege es dabei, die Staatszugehörigkeit etwa eines Ghanaers festzustellen – wie dies jüngst in Bremen durch den gambischen Dolmetscher geschah.

Die Zusammenarbeit zwischen der Bremer Ausländerbehörde und dem gambischen Honorarkonsulat in Düsseldorf möchte er lieber nicht kommentieren. „Das ist eine interne Angelegenheit.“ Man werde in der Hauptstadt Banjul allerdings verstärkt darauf achten, daß niemand mit zweifelhaften Dokumenten ins Land komme. „Für einen Rücktransport werden wir die Fluggesellschaften haftbar machen.“

Das dürfte der Bremer Anwalt Hans Meyer-Mews begrüßen. Er befürchtet, daß die Aktivitäten des Ausländeramts an mittelbare Falschbeurkundung grenzen. Wie die Behörde nämlich Paßersatzpapiere auf Personen ausstellen kann, deren Angaben sie zugleich für unwahr hält, sei ihm unerklärlich. Genau dies sei aber geschehen: Bei den Angaben eines Mandanten, der aufgrund der Dolmetscherexpertise abgeschoben werden soll, habe man lediglich die Staatsangehörigkeit geändert. „Das ist doch unglaublich.“

ede

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen