: Fredesrinda S. 67, Spanierin
Als FREDESRINDA S. sich der Wahl zum Betriebsrat stellte, waren ausländische Kandidatinnen noch eine Seltenheit, und die Spanierin landete auf Listenplatz 14. Trotzdem erhielt sie mehr Stimmen als ein Bewerber auf Position zwei und einen Anruf des Betriebsratsvorsitzenden, ob sie nicht zugunsten deutscher Kandidaten zurücktreten würde – sie verstehe ja die hiesige Sprache noch nicht besonders gut. Aber die Probleme der Belegschaft könne sie bestens verstehen, hielt sie ihm entgegen. In den Jahrzehnten ihrer Arbeit als Betriebsrätin und Gewerkschafterin seien viele deutsche Beschäftigte mit ihren Sorgen zu ihr gekommen und kaum ausländische. „Die hatten immer Angst, darüber offen zu reden.“
Sie hatte keine Angst und dadurch Nachteile: Kein Fortkommen war aus dem „kleinen Lohnempfängerdasein“ möglich, obwohl sie oft versucht habe, sich zu qualifizieren. Ein Grund dafür mag ihre Nationalität gewesen sein, räumt sie ein. „Aber die größeren Schwierigkeiten hatte ich, weil ich Gewerkschafter war.“ Immerhin wurde aus der Arbeiterin nach einigen Jahren ehrlich-pünktlich-fleißig die erste nichtdeutsche „Werksangestellte“ mit besserem Kündigungsschutz, etwas höherem Verdienst und ohne Stempelkarte.
Eine unbefristete Aufenthaltsberechtigung bekam Fredesrinda im November 1975, einige Tage nach Francos Tod. Auch zuvor habe sie stets langfristige Aufenthaltsgenehmigungen erhalten und kaum Schwierigkeiten mit den Hamburger Behörden gehabt, sagt sie. Weil ihre Familie gegen Franco war, die Deutschen auch und ihr Sachbearbeiter erst recht. Bevor sie vor mehr als 30 Jahren nach Deutschland kam, hatte sie fünf Jahre lang in Sydney gelebt, neben ihrer spanischen auch die australische Staatsbürgerschaft angenommen. Und vor ihrer dortigen Berufstätigkeit in der Krankenpflege einen obligatorischen sechsmonatigen Sprachkurs absolviert.
In Deutschland, sagt sie, sei dies der größte Fehler gewesen: davon auszugehen, daß die „Gastarbeiter“ nach einigen Jahren sowieso wieder gehen und sich das Erlernen der deutschen Sprache demnach nicht lohnt. Was also sei ihnen übriggeblieben als essen, fernsehen, schlafen und nichts weiter. Mit „Gastarbeiter“ seien sie abgestempelt und als solche abgehakt worden, so wie man das heute mit „Asylanten“ ganz ähnlich tue.
Sie sei Spanierin von Kopf bis Fuß, sagt die heute 67jährige. „Aber in Spanien bin ich auch ein Ausländer.“ Mit Hamburg verbindet sie Vertrautheit und Freundschaften. Sie pendelt zwischen den Staaten. Für immer in Spanien leben? „Vielleicht eines Tages – nein, ich glaube nicht.“ win
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