piwik no script img

Der Mehringhof im Rampenlicht

■ Peruanische Revolution macht vor Kreuzberg nicht halt

Die Revolution findet noch immer in Kreuzberg statt. Genauer gesagt im Mehringhof. Und die Weltöffentlichkeit blickt einmal mehr in den revolutionärsten aller Bezirke. Gestern war die internationale Revolution auf dem Vormarsch – im Hinterhof. Während die peruanische Guerilla Tupac Amaru in Lima nach und nach ihre Geiseln aus der japanischen Botschaft entläßt, wollte ein Mitglied der „Freundesgesellschaft BRD- Kuba“ einen Vertreter der Tupac Amaru auf einer Pressekonferenz vorführen. Oben unterm Dach, im zweiten Hinterhof des Szeneprojekts, drängten sich zu dem Anlaß gestern zwei dutzend JournalistInnen und FotografInnen und harrten auf Isaac Velaczco.

Der Vertreter der Tupac Amaru für Deutschland war zwar leider auf dem Weg zwischen dem Bahnhof Zoo und dem Mehringhof erst einmal verlorengegangen, aber dafür durfte man sich der revolutionären Disziplin des Veranstalters, Peter N., erfreuen: Denn der wollte konsequent weder das Alter noch die politischen Verbindungen des Tupac-Vertreters nach Peru preisgeben. Und die vorsichtige Frage eines eingeschüchterten Journalisten, woher man denn wisse, daß Velaczco tatsächlich Verbindungen nach Peru habe, sei „eine unverschämte Frage“, so der Veranstalter. Schließlich habe er Velaczco schon einmal „auf einer Veranstaltung getroffen“. Damit war die Integrität des Veranstalters und die Authentizität von Velaczco geklärt.

So starrten die vier Fernsehkameras und neun Mikrofone von Radioanstalten ins Leere. Die sonst sehr differenziert mit der Einladung von Medien umgehenden Mehringhof-MitarbeiterInnen wurden immer genervter, nur der Veranstalter war sich seiner guten Sache sehr sicher. Die Chance, etwas über die politische und soziale Situation in Peru zu schildern, wollte er aus Angst vor politischer Bevormundung des abwesenden Tupac-Vertreters indes nicht ergreifen. Der Tupac-Mann solle für die Bewegung selbst sprechen.

Was der Tupac-Mann dann zu sagen hatte, erfuhren leider die wenigsten. Nach zweistündiger Verspätung hatten die meisten Leute die Räumlichkeiten verlassen. Barbara Junge

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen