: Atommüll spaltet den Widerstand?
■ betr.: Berichterstattung über Ca stor-Transporten und Öko-Institut
In Beiträgen und Interviews verschiedener Zeitungen (Focus, taz, FR) wurde in den letzten Wochen von Vertretern des Öko-Instituts zu Fragen der sog. Entsorgung von abgebrannten Brennelementen aus bundesdeutschen Atomkraftwerken Stellung genommen. Neben einem allgemeinen Plädoyer für einen Ausstieg aus der Atomenergienutzung werden Aussagen zum Zusammenhang zwischen Wiederaufarbeitung und dem Widerstand gegen Castor-Transporte nach Gorleben gemacht.
Wir stimmen mit den Kollegen vom Öko-Institut überein, daß die Wiederaufarbeitung weiterer Brennelemente verhindert werden muß. Daraus folgt zwangsweise (auch bei Abschaltung aller AKW) eine mehrjährige Zwischenlagerung und anschließend die direkte Endlagerung der Brennelemente. Der dafür notwendige Endlagerstandort wird aber in den nächsten Jahren nicht festlegbar sein. Von der Gruppe Ökologie wird deshalb schon seit Jahren dafür plädiert, die Zwischenlagerung an den Kraftwerksstandorten (und nicht in zentralen Zwischenlagern) vorzunehmen. Dadurch kann die Zahl der Transporte drastisch verringert und gleichzeitig – bei entsprechenden Randbedingungen – der Ausstieg gefördert werden.
Nicht nachvollziehbar erscheint uns die These des Öko-Instituts, daß der Widerstand im Wendland gegen die Castor-Transporte die Energieversorgungsunternehmen (EVU) quasi dazu zwingt, die abgebrannten Brennelemente in La Hague und Sellafield wiederaufarbeiten zu lassen. Die Frage der Wiederaufarbeitung wird nämlich nicht dadurch entschieden, ob und wie viele Brennelemente in das Transportbehälterlager Gorleben eingelagert werden, sondern hängt von anderen Gesichtspunkten ab:
Entscheidend für den zu wählenden Entsorgungsweg sind für die EVU die ihnen dadurch entstehenden Kosten. Dies gilt sowohl für die Frage Wiederaufarbeitung oder „Direkte Endlagerung“ als auch dafür, ob in der Bundesrepublik oder im Ausland zwischengelagert wird. Solange es die Gesetze erlauben, halten sich die EVU grundsätzlich alle (Ensorgungs- )Wege offen. Die sogenannten Neu-Wiederaufarbeitungsverträge mit Cogema (Frankreich) und BNFL (Großbritannien) wurden von den EVU bereits 1990 abgeschlossen. Eine eventuelle Kündigung dieser Verträge hängt – den Kostenvorteil der „Direkten Endlagerung“ vorausgesetzt – vor allem mit der weiteren Entwicklung des Entsorgungsvorsorgenachweises bzw. dessen offizieller Interpretation zusammen.
Verzicht auf Wiederaufarbeitung ist von den EVU gegenüber Cogema und BNFL leichter und mit geringeren finanziellen Verlusten durchzusetzen, wenn die Verträge in Lagerverträge umgewandelt werden können.
Die mittlerweile vorgebrachten Drohungen der EVU mit der Wiederaufarbeitung (u. a. aus dem Gemeinschaftskernkraftwerk Neckar) hat rein politisch-taktischen Charakter. Damit können sich die EVU zum Beispiel eine öffentliche Legitimation für Transporte und Lagerung im Ausland beschaffen. Davon abgesehen werden aber die Drohungen je nach gerade aktueller Opportunität gewechselt.
Unabhängig von allen Argumenten und Gegenargumenten, die sich in dieser Diskussion finden lassen, steht jedoch fest, daß eine Einlagerung der abgebrannten Brennelemente in Gorleben und Ahaus nicht gleichbedeutend mit dem Verzicht auf Wiederaufarbeitung ist. Die EVU behalten sich ausdrücklich vor, auch in zentralen Lagern längere Zeit aufbewahrte Brennelemente zur Wiederaufarbeitung zu transportieren, wenn die Randbedingungen aus ihrer Sicht dafür sprechen. So zuletzt auch auf dem Gerichtstermin zum Transportbehälterlager Gorleben im September 1996.
Aus den genannten Gründen beruht die Position des Öko-Instituts zu den Auswirkungen des Widerstandes im Wendland auf unzutreffenden Annahmen, aus denen dann zwangsläufig (auch politisch) falsche Folgerungen abgeleitet werden. Helmut Burdorf, Gruppe
Ökologie e.V., Hannover
Jetzt hat die massive Kritik die Reihen im Öko-Institut also erst mal fest geschlossen. Wer läßt sich schon gern grobe Fehler geduldig unter die Nase reiben? Hoffentlich erkennt das Institut wenigstens im Laufe der Zeit, daß aus wissenschaftlicher Sicht an die AtomkraftgegnerInnen gerichtete Vorwürfe an der Sache vorbeigehen. Gorleben ist nun mal eine politische Frage, und Politik lebt von Symbolen. Wenn prinzipiell der schnellstmögliche Ausstieg aus der Atomkraft ein notwendiges Ziel ist, dann ist auch der Gorleben-Widerstand notwendig, nicht nur legitim. Sailers Analyse der ausufernden Plutoniumwirtschaft ist sicher richtig. Auch bezweifelt keiner seine fachliche Qualifikation, die Institutsleiter Ilgemann jetzt meinte hervorheben zu müssen. Falsch ist aber trotzdem ganz offensichtlich, wenn Sailer der Widerstandsbewegung eine gewisse Mitverantwortung für den in ein paar Jahren zu erwartenden, erschreckenden Berg an Plutonium glaubt zuschieben zu müssen. [...] Winfried Schneider, Düsseldorf
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