Wohnzimmer online

Das Internet ist voller Wohnideen und Architekturdebatten. Doch die meisten Angebote sind öde und taugen höchstens für Architekten  ■ Von Christoph Dowe

Es soll Menschen geben, die haben sich im Internet häuslich eingerichtet. Zur Kommunikation mit den Freunden in Übersee leeren sie schon vor dem Frühstück den E-Mail-Briefkasten. Der tägliche Acht-Stunden-Mac-Job wird ohnehin vom Bildschirm bestimmt, in den Pausen heißt es surfen. Ob die Wohnung aufgeräumt oder gemütlich eingerichtet ist, kann da schnell zur Nebensache werden. Das „Web“ ist das Wohnzimmer. Aber was sagt das virtuelle zum realen Wohnzimmer? Wer im deutschsprachigen Internet nach Wohnideen, Möbeln und Anregungen sucht, wird von Angeboten fast erschlagen. Und doch regiert die Langeweile.

„Die Seiten, die sich mit Innenarchitektur beschäftigen, sind hochgradig öde“, sagt der angehende Innenarchitekt Torsten Klehn aus Lübeck. Die private Homepage des 29jährigen, auf der er seine Arbeit vorstellt, gehört zu den wenigen Ausnahmen im deutschsprachigen Netz (http:// members.aol.com/Klehntor/privat/index.html), die sehenswert sind. Die Langeweile wundert Klehn. „Mit dem Computer kann man so viel für Innenarchitektur und Design machen. Weil alles voraussehbar ist, sind Mißverständnisse mit dem Kunden vermeidbar.“ Klehn hat dem Papier abgeschworen: Seine Designs für das Studium an der Fachhochschule Hannover entstehen ausschließlich am Bildschirm. Im Internet zeigt er, wie er einen Geschäftsraum einrichten würde und was er sonst noch für Ideen hat. Ein Artikel, den die Zeitschrift Schöner Wohnen über seine Wohnung veröffentlichte, ist ins Netz eingescannt. Auch seine Hannoveraner Kollegen nutzen das Web, um zu werben.

Zu Pionierzeiten des Internet und der „virtuellen Realität“ gehörten Architekten und Innendesigner zu den euphorisierten Trägern der technischen Revolution. Endlich konnte man ein Haus schon vor dem Bau bis ins Detail auf dem Bildschirm besichtigen. Das Möbelrücken sollte entfallen, denn der Computer kann – theoretisch – alles simulieren, vom Einfallswinkel der winterlichen Nachmittagssonne bis zur Maserung und Farbe der Schrankwand in der Ecke. Doch beim Endverbraucher kommen solche Spielereien bislang nicht an.

Tatsächlich haben sich gerade Architekten schnell mit den neuen Medien angefreundet. Zehn Prozent aller deutschen Architekten hatten Ende 1995 einen Internet- Zugang – im Vergleich zu anderen Berufsgruppen eine ganze Menge. Derzeit wird viel Geld in den Aufbau von Informationsdiensten gesteckt, die letztendlich ausschließlich von Architekten benutzt werden sollen. Die Architektenkammer Nordrhein-Westfalen ist seit April im Netz (www.aknw.de). Doch auch große Verlage wie Burda oder Bertelsmann wittern das Zukunftsgeschäft und wollen den Profit einstreichen. „BauNetz“, eine Bertelsmann-Tochter (www.BauNetz.de) ist erst seit einem Monat im Rennen. Auf den „BauNetz“-Seiten soll eine „Kommunikationsplattform“ geschaffen werden, um immer auf dem neuesten Stand der architektonischen Debatte zu sein. Wettbewerbstermine, neueste Bauvorschriften, DIN-Normen und Artikel über die Baukultur – all das wollen die acht Mitarbeiter des „BauNetz“ im Netz bereitstellen. Um Architekten anzulocken, bieten die Bertelsmänner bald ihre Dienste als Provider an. Zu einem Preis, der andere wohl unterbieten wird. Das alles geht nicht ohne Subventionen. „Wir rechnen erst in einigen Jahren mit Gewinn“, räumt Benedikt Hotze aus der Berliner Redaktion ein.

Die Konkurrenz schläft nicht. Auch Burda ist schon fest beim Run auf die Marktanteile dabei und publiziert einige seiner Zeitschriften im Internet, darunter Haus und Garten (www.haus.de) oder Elle. „Sicher“, gibt Christian Grosser von Burdas Online-Redaktion zu, „eine Zeitschrift mit vielen Fotos wird durch das Internet nicht ersetzbar sein. Aber für die Werbekunden bieten sich große Chancen.“ Die Online-Ausgabe von Haus und Garten arbeitet direkt mit einem Münchener Raumausstatter zusammen. Im redaktionellen Teil angepriesene Produkte können mit zwei oder drei Mausklicks direkt beim Verkäufer bestellt werden. 10 bis 15 Bestellungen sollen bei dem Werbekunden pro Tag schon jetzt auf diese Weise eingehen, schwärmt Grosser. Werbekraft wird meßbar. Daß bei Burda die Grenzen zwischen Redaktion und Werbung dadurch fließend werden, findet er nicht problematisch.

Klaus-Thomas Hiendl ist Chef eines großen Möbelhauses (950 Mitarbeiter) bei Passau. Er ist skeptisch, was das Internet ihm bieten kann. Aber auch sein Unternehmen hat eine Web-Seite (www.hiendl.com/). „Das ist doch derzeit nur eine Image-Sache. Umsatz bringt das noch nicht.“

Tatsächlich: wer sich durch die endlose Liste von Möbel- und Designerfirmen klickt, die im deutschsprachigen Internet ihre Produkte anbieten, den überkommt sehr schnell Langeweile. Einfallslos wie ein Baumarkt-Katalog, monoton wie ein abgefahrener Reifen wird da für Accessoires, Wasserbetten und Büroausstattungen geworben.

Ausnahmen sind selten. Die Österreicher, ohne Frage, beweisen mehr Gefühl fürs Netz-Design (zum Beispiel www.moebel.at und www.nextroom.at). Wer sich wirklich anregen lassen will, muß ins Mutterland des Internet oder nach Japan klicken. Gute Startrampen für so einen Ausflug: http://members.aol.com/neunzig10/90-links. html, www.planet oder www.Irc. rpi.edu/.

Es hilft kein Gezeter. Nur die Architekten wissen mit dem neuen Medium etwas anzufangen, doch sie bleiben unter sich. Nur die Werbeagenturen profitieren von dem Neuland Internet. Dem kleinen Konsumenten ist diese virtuelle Realität kaum Inspiration.