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„Die Bremer CDU muß in Bonn erfolgreicher sein“

■ Wie gut sind die Bremer Argumente für den Erhalt der Selbständigkeit des Landes Bremen? Das neue Heft des Magazins „Focus“ konfrontiert den CDU-Politiker Mayer-Vorfelder mit Bremens Finanzsenator Ulrich Nölle (vgl. Dokumentation Seite 22). Beeindrucken die Bremer CDU-Politiker ihre Parteifreunde in Bonn, Stuttgart und anderswo mit ihren Argumenten? „Sie können sich noch steigern“, kommentiert Volker Kröning, Bremens früherer Finanzsenator bissig. Wir fragten Kröning, worauf er seine Hoffnung auf die Sanieung der Bremer Finanzen gründet.

„Kleine Einheiten sind auf Dauer nicht hinreichend leistungsfähig“, sagt Baden-Württembergs CDU-Finanzminister Mayer-Vorfelder. Mehr als sechs Milliarden jährlich koste die Kleinstaaterei die größeren Länder. Er fordert wie viele andere CDU-Politiker: Lieber zehn schlagkräftige Bundesländer als 16, von denen einige dauerhaft am Tropf der anderen hängen.

Im Magazin „Focus“ durfte Bremens Finanzsenator Ulrich Nölle heute darauf entgegenen. Nölle behauptete nicht, daß das Sanierungsprogramm für Bremen erfolgreich sein würde. Nölle vermied peinlichst einen Hinweis darauf, daß Bremen in diesem Jahr über einen Sanierungs-Naschlag verhandeln will. Nölle wich auf ein allgemeines und grundsätzliches Bekenntnis zum Föderalismus aus: „Eine zackige Neugliederung wäre ein bedenkliches Signal an unsere Nachbarn“ (vgl. Seite 22).

Wir sprachen über die aktuelle finanzpolitische Diskussion mit dem früheren Finanzsenator Volker Kröning.

taz: Herr Kröning, als die CDU in den Bremer Senat eintrat, erweckte sie die Hoffnung, nur die CDU könne bei den CDU-Regierungen in Bonn und den anderen Bundesländern Verständnis für die Bremer Sanierungs-Interessen aufrecht erhalten. Nun sieht es so aus, als hätten die Bremer CDU-Politiker nichts Vorzeigbares erreicht.

Volker Kröning: Nun, sie können und müssen sich noch steigern. Es genügt nicht, in Bremen gut Wetter zu machen – abgesehen davon, daß die Leute aus der Harmonie sowieso nicht Zuversicht gewinnen. Was nottut, ist: Intern und öffentlich unsere guten Argumente vertreten und eine aktive Diskussion über die Stärkung der Länder und Gemeinden angesichts neuer Konkurrenz aufzunehmen.

Seit zwei Jahren sehen Sie die Bremer Probleme regelmäßig auch aus der Bonner Distanz. Kennen Sie einen relevanten Politiker außerhalb Bremens, der – wie Scherf – die Existenz des Zweistädtestaates als einen „Glücksfall“ für die Bundesrepublik betrachtet?

Nur solche wie den Bundeskanzler oder den Bundespräsidenten, die historisch gebildet sind, die den föderalen – neben den demokratischen – Grundlagen von Freiheit und Frieden den nötigen Wert beimessen und Eigenleistung vor Fremdhilfe stellen. In der gegenwärtigen Abhängigkeit von den anderen hat Bremen um sein Prestige zu kämpfen.

Nach Baden-Württemberg und Bayern hat auch der nordrhein-westfälische Ministerpräsident erklärt, der Länderfinanzausgleich müsse geändert – das bedeutet: reduziert – werden.

Ja, es wird eng. Man sieht, daß die Neuordnung des Finanzausgleiches von 1993...

...bei dem Bremen die Sanierungshilfe zugestanden bekam...

...und im Gegensatz zum Thesenpapier des Bundesfinanzministers von 1992 ein fairen Platz im neuen Finanzausgleich erhielt, ein sehr fragiler Kompromiß war. Was sich gegenwärtig tut, ist eine Vorbereitung auf eine nächste Runde von Finanzauseinandersetzungen. Da geht es auch um die nächste Etappe der Europäischen Einigung, um Erweiterung und Vertiefung der Union einschließlich der Neuregelung der Finanzbeiträge ab '99. Das Verhalten Bayerns und Baden-Württembergs, aber auch der Länder Nordrhein-Westfalen, Hessen und – verdeckt – Hamburg ist, anders als 1993, als eine Präventivstrategie zu verstehen.

Was war anders 1993 bei dem Beschluß des Bundes und der anderen Länder, ca. zehn Milliarden für die Sanierung der Bremer Finanzen auf den Tisch zu legen?

Damals ist es gelungen, frühzeitig die neuen Länder Ost mit den Interessen der finanzschwachen Länder West zusammenzubringen. Heute ist die Konstellation anders, es bahnt sich an, daß sich die reichen Länder früher formieren als die armen. Und der Bund deckt diese Ländergruppe. Denn es geht in erster Linie um die Bundesergänzungszuweisungen und um die Kosten politischer Führung und zentraler Verwaltung.

Das bedeutet: Bremen hat ganz schlechte Karten, wenn in diesem Jahr die Bilanz der Sanierungsanstrengungen gezogen wird.

Nein. Bremen hat keine schlechten Karten. Bremens Lage ist jedoch schwieriger als vor Jahren und schwieriger als damals anzunehmen war. Aber das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes gilt weiterhin. Wir haben die Mehrheit des Bundesrates im Rücken, wenn wir eine kluge Bündnispolitik betreiben, und die CDU, die jetzt auch am Senat beteiligt ist, muß in Bonn mindestens so erfolgreich sein wie die SPD vor vier Jahren.

Aber Nordrhein-Westfalen hat sich schon mit Bayern verständigt...

Verständigt nicht, nur die Tonart wird dieselbe. Es gibt aber schon zu denken, daß ein Bundesland, das uns traditionell verbündet war, auf Abstand zu Bremen geht. Deshalb hilft es nichts: Wenn wir nicht als Eine-Million-Großstadt in einem Land Bremen-Niedersachsen aufgehen wollen, müssen wir eine Mehrstufen-Strategie von Sanierung – mit dem Saarland –, einer Stadtstaaten-Initiative – mit Berlin – zur Korrektur der Lohnsteuerzerlegung und einer Verbesserung der Einwohnerwertung verfolgen, die langen Atem erfordert.

Wenn man jetzt die Bilanz dieser vier Jahre Sanierung zieht, was die Stärkung der Wirtschaftskraft angeht – ist da viel passiert?

Neue Krisenmomente können Sie nicht dem Sanierungsprogramm anlasten. Richtig ist: Das Sanierungsprogramm verlängert und verteuert sich. Wir hatten damals eine stabilere gesamtwirtschaftliche Entwicklung unterstellt und die Chancen des Strukturwandels optimistischer eingeschätzt, als es sich in der Zwischenzeit erwiesen hat. Sonst hätten wir nicht nicht so unbefangen davon gesprochen, daß der Rückstand Bremens in absehbarer Zeit aufgeholt werden könnte durch ein überdurchschnittliches Wachstum. Bremens Sanierung ist eine Generationenaufgabe.

Wird der Druck der Stabilitäts-Kriterien des Maastricht-Vertrages nicht die Bereitschaft der anderen Bundesländer, für Bremen noch einmal in die eigene Tasche zu greifen, auf null reduzieren?

Die Gefahr ist da. Dennoch muß man an der Stelle die Zeitpunkte auseinanderhalten. Für die Währungsunion wird es auf die Jahre 1997/8 ankommen, in denen Bremen noch durch die alte Regelung jährlich 1,8 Milliarden bekommt. Eine Nachfinanzierung wird erst für 1999/2000 – und dann über drei bis vier Jahre – erforderlich, zehn bis zwölf Milliarden Mark werden für die beiden Länder mit Haushaltsnotlage gebraucht. Wir kommen damit in Jahre, in denen die gesamte wirtschaftliche Lage wieder günstiger sein dürfte.

Fragen: K.W.

Volker Kröning (51) war von 1985-87 Senator für Inneres, von 1987-91 für Justiz, 1991-94 für Finanzen Seit 1994 ist er Bundestagsabgeordneter und sitzt im Finanzausschuß, der u.a. für die Bund-Länder-Finanzbeziehungen zuständig ist.

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