Vor hundert Jahren (2): Kahlköpfig ab 20
■ Die Eskimos, ein vergnügtes Volk
Weil die Kälte anhält und wir uns dran trösten wollen, daß es woanders noch bedeutend eisiger ist, ist taz-Mitarbeiterin Anja Robert wieder in den Archiven fündig geworden und überläßt im zweiten Teil unserer Serie über Nachrichten, die Bremen vor genau 100 Jahren beschäftigt haben, jetzt dem Grönland-Experten das Wort.
In der dritten Abendunterhaltung des Frauen-Erwerbsvereins, die in dem festlich geschmückten Vereinssaale stattfand, wies der Redner des Abends, Herr Dr. Koch, in einleitenden Worten auf die segensreiche Wirksamkeit des obigen Vereins hin und mahnte zu allseitiger, reger Unterstützung der Vereinssache. Er hielt alsdann seinen angekündigten Vortrag über Grönland, dem wir Folgendes entnehmen.
Die Eskimos sind klein, olivenbraun, schlechte Zähne haben besonders die Frauen, weil sie immer die Seehundsfelle kauen müssen. Sie drehen sich einen Haarschopf mit solcher Vehemenz aufwärts, daß sie bereits mit 20 Jahren kahlköpfig sind. Der Anzug ist der gleiche bei Männern und Frauen: Hose, Jacke, dazu ein gleicher Oberanzug, Pelzstiefel, eine über den Kopf gezogene Kappe, Fausthandschuhe vervollständigen den Anzug.
Großen Abscheu empfinden sie vor Waschwasser und Seife. Ihre Höhlen bilden ein rundliches Viereck und sind gebaut aus Steinen und angetriebenem Meerholz und aus Eisschollen, die dicklen Wände halten ziemlich die Kälte ab, selten findet man Fenster aus Walfischgedärmen, niedrig ist der Eingang.
Zwei oder drei Familien wohnen zusammen. Auf einem Dreifuß steht der primitive Kochtopf, der niemals ausgewaschen wird, geheizt wird mit Torf und Kohle; Kachelöfen haben nur die Dänen. An den Wänden sind Pritschen. Im Sommer bewohnen sie wegen der Renntierjagd tragbare Sommerzelte. Zu erwähnen ist auch ihre bekannte Thranlampe. Die Grönländer sind ein vergnügtes Volk, keine Verbrechen kommen bei ihnen vor, sie sind Kinderfreunde, leider aber gefühllos gegen Kranke. Ihre Nahrung bildet die Jagdbeute, ferner Kaffee, Taback und europäische Butter, die aber so hart wird, daß sie in würfelförmige Stücke zerschnitten werden muß, wie wir Kuchen essen.
Bremer Nachrichten, 4.1.1897
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