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Und die Aufklärung?

■ betr.: „Und wie die Mär entsteht“, Intertaz vom 24. 12. 96

Noch habe ich Kohlhammers Buch „Die Feinde und die Freunde des Islam“ nicht gelesen. Die Polemik Gernot Rotters erscheint mir jedoch trotzdem überzogen.

Es muß möglich sein, wie dem Christentum so auch dem Islam als Religion kritisch gegenüberzustehen. Wenn sich derzeit die Repräsentanten dieser Religion in unglaublicher Weise menschenrechtsfeindlich präsentieren, sollte die grundsätzliche Frage gestattet sein, ob nicht doch die religiöse Lehre selbst Legitimierungen dieses Verhaltens bereitstellt. Als Historikerin kann ich die These Kohlhammers nur unterstützen, daß der Toleranzgedanke dieser Religion zwar bis zur Aufklärung christliche Praktiken übertraf, modernen Menschenrechtsvorstellungen hinsichtlich der Lage von Minderheiten (oder Frauen) jedoch keineswegs standhält.

Es ist für mich unbegreiflich, wie Rotter den Mut der moslemischen Dissidenten zur pauschalen Rechtfertigung des Islam heranzieht. Entsprechend wäre es abwegig, Spinoza der jüdischen Orthodoxie oder den auf dem Scheiterhaufen verbrannten Giordano Bruno beziehungsweise Voltaire oder Diderot dem christlichen Glauben als Verdienst anzurechnen. Die moslemischen Intellektuellen, die aufgeklärte Interpretationen des Islam leisten und meist Laizismus fordern, sind völlig isoliert und bestenfalls zur Emigration gezwungen. Als Atheistin der dritten Generation habe ich durchaus etwas gegen den Begriff „Kulturchrist“ einzuwenden, zumindest jedoch seine Überflüssigkeit. Die Begriffe kultureller Jude oder Moslem zeigen doch nur, daß aus internen oder externen historischen Gründen keine klare Trennung der weltlichen beziehungsweise religiösen Bereiche erfolgt ist. Isabel Kocsis, Düsseldorf

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