piwik no script img

Einfach Schwamm drüber

Spekulationsgeschäfte mit maroden Altbauten: Wer die millionenteure Sanierung bezahlen soll, bleibt im dunkeln  ■ Von Thomas Koch

Monopoly im Altonaer Altbaukomplex Eimsbüttler Straße 123-129. Unter Hochdruck versucht die „Womex Immobiliengesellschaft“ mit Hilfe von MaklerInnen aus dem Dunstkreis des US-Sektenimperiums „Scientology“ rund 60 Mietwohnungen in Eigentum umzuwandeln und meistbietend an PrivatanlegerInnen zu verscherbeln.

Opfer des Spekulationsgeschäfts in Millionenhöhe sind neben den umwandlungsbedrohten Mietern vor allem die Anleger, die hofften, ein Schnäppchen mit dem Kauf der Wohnungen zu machen. Auf sie kommen möglicherweise Sanierungskosten in Millionenhöhe zu. Denn die heruntergekommenen Altbauten sind von Schwamm und Holzbock befallen. Viele Zwischendecken sind morsch, die Außenwände total durchfeuchtet. Willi Lehmphuhl vom Mieterverein Hamburg: „Hier soll mit Bruchbuden Geld gemacht werden.“

Da die Wohnungen über Makler wie Dieter Hansen, einem bekennenden Anhänger des Scientology-Gründers L. Ron Hubbard, für Dumping-Preise von unter 2.500 Mark pro Quadratmeter auf den Markt geworfen wurden, griffen viele KäuferInnen blind zu. Sie erwarben Wohnungen, die sie noch nicht einmal besichtigt hatten. Zwar wurde ihnen angedeutet, das eine Schwamm- und Holzbocksanierung ins Haus steht, doch über die genauen Kosten schwieg sich die Womex bis heute aus.

Ein Gutachter, der im Auftrag eines Mieters den Gebäudekomplex inspizierte, wurde deutlicher. Nach kurzer Stipvisite überschlug er die Sanierungskosten auf rund 2.000 Mark pro Quadratmeter Wohnfläche. Ist die Prognose nur annähernd richtig, müßten viele Käufer noch einmal einen sechsstelligen Sanierungsbetrag pro Wohnung abdrücken. Aus Schnäppchen-Preisen würden so Wucher-Beträge.

Zwar kündigte die Womex die Bildung einer Instandsetzungsrücklage von einer Million Mark für den Gesamtkomplex an, doch die reicht, so Lehmphuhl, „bei weitem nicht aus“. Denn in einer Kostenschätzung, die die Grundstücksgesellschaft Wintergrund im Auftrag der Womex erstellte, ist von 900.000 Mark Sanierungskosten die Rede – ohne die Beseitigung der Schwamm- und Holzbockschäden. Daß eine angeblich vorhandene Schwammversicherung zumindest den „größten Teilder Schäden“ abdecke, wie die Womex behauptet, bezweifelt Lehmphuhl: „Da gibt es in aller Regel klare finanzielle Obergrenzen.“ Er ist deshalb sicher, das „da auf die Erwerber noch einiges zukommt“.

Zwischen den Fronten: die MieterInnen. Sie wissen weder, wann ihre durchfeuchteten Wohnungen trockengelegt werden, noch, an wen sie sich wegen der Schäden überhaupt wenden können. Denn die Wintergrund-GmbH, an die angeblich die Verwaltung der Häuserzeile übertragen wurde, teilte auf Anfrage mit, sie sei nur für das sogenannte „Gemeinschaftseigentum“ wie Treppenhaus und Außenfassaden, nicht aber für die Wohnungen selbst zuständig.

„Wir wissen nicht, wie es weitergeht“, klagt auch der Kameramann Charles Völsen, der in dem am stärksten von Schwamm befallenen Hinterhaus Eimsbüttler Straße 127 wohnt. Den 59jährigen nervt nicht nur, daß die Decke seiner Wohnung an mehreren Stellen total durchfeuchtet ist. Vor wenigen Tagen erfuhr er von der Womex ganz nebenbei, daß die von ihm bei Einzug hinterlegte Kaution derzeit leider „nicht auffindbar“ sei.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen