: Whites Mission führt nach New Orleans
■ Green Bay Packers und New England Patriots erreichen die Super Bowl
Die NFL-Saison hatte noch nicht begonnen, die Green Bay Packers waren im Trainingslager und Reggie White war besorgt. White (35), der Defensive End der Packers, hat es in seiner zwölfjährigen überragenden Karriere nie bis in die Super Bowl geschafft. Und nun wurde er nicht von den richtigen Visionen heimgesucht: „Ich sehe mich und mein Team nicht aus dem Tunnel rennen am Super Bowl Sonntag. Das läßt mir keine Ruhe.“
Seit letztem Sonntag hat White, der in seiner Karriere so viele Quarterback-Sacks wie niemand sonst geschafft hat, seine Ruhe. Die Green Bay Packers erreichten mit einem 30:13 gegen die Carolina Panthers im heimischen Lambeau Field das Endspiel der NFL. „Gott hat dieses Team gesegnet“, sagte White nach dem Spiel und er muß es wissen, er ist nicht nur die zentrale Figur der besten Abwehr der Liga, er ist auch Laienprediger. Es war nicht gerade sein Spiel, aber das ist es selten, weil gegnerische Mannschaften White meistens doppeln. Aber so schaffte er er immer wieder Lücken für seine Mitspieler, die die Offensive der Panthers nicht zum Zug kommen ließen. Punkte erzielte das Überraschungsteam aus Carolina nahezu ausschließlich nach ungewohnten Fehlern der Packers-Offensive.
Bei fast 20 Grad minus warf selbst Packers-Quarterback Brett Favre, gerade zum zweiten Mal als MVP, als wertvollster Spieler der Liga ausgezeichnet, unbedrängt einen Ball zum Gegner, der zum einzigen Touchdown der Panthers führte. Bis kurz vor der Halbzeit wollte das Paßspiel der Packers nicht funktionieren, da konnte sich Favre noch so oft die Hände in einem auf seinem Trikot aufgenähten Muff aufwärmen. 48 Sekunden waren noch bis zur Pause zu spielen, und Carolina führte 10:7. Ein Touchdownpaß von Favre, ein Ballverlust der Panthers beim anschließenden Spielzug, zwei, drei schnelle Pässe von Favre, ein Fieldgoal und die Packers führten 17:10. Sie gaben die Führung nicht mehr ab.
Als auf der Uhr die letzten Sekunden des Spiels heruntertickten und Green Bays Coach Mike Holmgren trotz der gemeinen Temperaturen längst schon seine obligatorische Eiswasserdusche bekommen hatte, wurde Reggie White nicht nur von seinen eigenen Kollegen beglückwünscht. Menschen, die er kurz zuvor noch in den Boden rammte, umarmten ihn. Hierzulande ist es schwer zu verstehen, wie jemand tief religiös sein kann, einen Großteil seines Geldes gemeinnützigen Projekten zur Verfügung stellt, aber dieses Geld ausgerechnet damit verdient, Sonntag für Sonntag wildfremden Personen nach der Gesundheit zu trachten. Daß man, wie es White tut, jemanden mit einem Arm zur Seite räumt, um ihm drei Sekunden später mit dem anderen wieder aufzuhelfen und „Jesus liebt dich“ zu sagen.
Aber in den USA mögen sie ihre Riesenbabys, ihre freundlichen Riesen, die Sätze mit den Worten „Gott sprach zu mir“ beginnen. Als White vor vier Jahren die Eagles verließ, demonstrierten die Fans in Philadelphia. Und bei seinem ersten Training in Green Bay, der kleinsten Stadt mit einem NFL-Team, fanden sich 2.000 Leute ein. Und White verkündete, daß er noch immer auf einer „göttlichen Mission“ sei, die ihn endlich zur Super Bowl führen sollte. Seitdem nervt er seine Mitspieler mit Gospel-Musik und Team-Meetings, die er ständig ansetzt, um sie moralisch aufzurichten. Das heißt, wenn er nicht gerade einen Gottesdienst abhält oder einen Termin in einer Sozialeinrichtung hat.
Am 26. Januar in New Orleans haben White und „The Pack“ nun einen Termin mit den New England Patriots, die sich in einem gruselig anzusehenden Football-Spiel mit 20:6 gegen die Jacksonvielle Jaguars durchsetzten. Im Foxboro Stadion in Massachusetts war es nicht viel wärmer als in Green Bay, als zwei Mannschaften, deren Stärken eigentlich im Angriff liegen, offensiv so gut wie nichts zustande brachten. „New Englands Defensive war außergewöhnlich und unsere war auch ziemlich gut“, lobte zwar Tom Coughlin, Trainer der Jaguars. Aber vor allem machte sein Team in der Offensive einfach zu viele dumme Fehler: „Wenn man den Ball so oft verliert wie wir heute, kann man nicht gewinnen.“
Dank der Fehler der Jaguars ist Patriots-Coach Bill Parcells nun der zweite Trainer, der zwei verschiedene Teams in den Super Bowl führte. Parcells, dessen New Giants in den Jahren '87 und '91 das Spiel der Spiele gewannen, gesellt sich damit zur Don Shula, dem dasselbe Kunststück mit den Miami Dolphins und den Baltimore Colts gelang. Thomas Winkler
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