: Saftiges Eintrittsgeld fürs Steuerparadies Andorra
■ Der Pyrenäenstaat ist weniger bekannt als Monaco – aber nicht minder begehrt
Andorras Regierung ist auf den Geschmack gekommen. Als Gegenleistung für die passive Aufenthaltsgenehmigung – also ohne Arbeitserlaubnis – wird der Zwergstaat hoch oben in den Pyrenäen zwischen Frankreich und Spanien künftig ein Eintrittsgeld nehmen. Seit diesem Winter genügt es nicht mehr, über ein entsprechendes Einkommen zu verfügen, von dem es sich leben läßt, eine Kranken-, Alters- und Invalidenversicherung abzuschließen und ein Domizil sein eigen zu nennen, um sich in Andorra niederzulassen. Fortan muß jeder Neubürger 50.000 Mark für sich selbst und 12.000 Mark für jede weitere von ihm abhängige Person als Pfand im staatlichen Geldinstitut hinterlegen – ohne dafür Zinsen zu kassieren.
Obwohl die Ausländerverbände des Landes gegen diese Neuregelung Sturm laufen, reißt die Flut der Antragsteller nicht ab. Unterm Strich scheint sich der Deal zu lohnen, denn in dem verlorenen Fleck, zweieinhalb Autostunden von Barcelona und Toulouse entfernt, sind Einkommen-, Lohn- oder Gewerbesteuer Fremdwörter. Von den 65.000 Einwohnern des Landes sind knapp über 40.000 Ausländer, 2.500 davon ohne Arbeitsgenehmigung, also reine Steuersparer, so die Angaben der Regierung. Die Ausländervereinigungen gehen von 5.000 bis 8.000 aus. 700 weitere stehen auf einer Warteliste. Pro Jahr sollen künftig zwischen 300 und 400 neue passive Aufenthaltsgenehmigungen ausgestellt werden.
Die meisten Passiven sind Künstler, Sportler oder Unternehmer im Ruhestand. 183 Tage im Jahr müssen sie mindestens in Andorra weilen, um die Aufenthaltsgenehmigung nicht zu verlieren, so will es das Ausländergesetz. Doch das nimmt keiner so genau. Weder Spaniens Tennisstar Arantxa Sánchez, noch Topmodell Judi Masco oder die Opernsängerin Monserrat Caballé haben dafür überhaupt Zeit. Die eine zieht unter der Flagge eines Staates von Court zu Court, in dem sie sich längst abgemeldet hat, die andere bevölkert überall die Laufstege, nur nicht in den Wintersportorten der Pyrenäen. Und die letzte läßt sich mit Vorliebe unten in Barcelona von den Opernfans als Promotorin des Wiederaufbaus des vor drei Jahren abgebrannten Gran Teatro del Liceo feiern.
Die Ausländerverbände Andorras sehen in der Pfandregelung eine „verfassungswidrige Ungleichbehandlung von Ausländern und Einheimischen“. Hinzu kommt, daß das neue Gesetz einmal mehr keine klare Regelung für diejenigen Ausländer schafft, die in Andorra ein Geschäft betreiben. Sie profitieren zwar von den Steuervorteilen, zahlen aber gleichzeitig eine ganz andere Abgabe. Da nur ein Unternehmen auf seinen Namen anmelden kann, wer mehr als 20 Jahre zwischen den verschneiten Gipfeln lebt, brauchen die meisten ausländischen Geschäftsleute einen andorranischen Strohmann.
Um die aufgebrachten reichen ausländischen Bürger etwas zu beruhigen, hat der seit zwei Jahren amtierende liberale Premierminister Marc Forné Molne angekündigt, eine Senkung der Sätze zu prüfen. Außerdem ist ein Gesetz in Vorbereitung, das künftig auch rein ausländische Unternehmen zulassen soll. Soviel Freizügigkeit wird allerdings ihren Preis haben: Diese Unternehmen werden dann wie in Spanien oder Frankreich Gewerbesteuer zahlen müssen. Reiner Wandler, Madrid
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen