: Eine Studie, die keine war
■ UKE-Strahlen-Skandal: Ärzte wollen sich verformuliert haben / Patienten-Anwalt Funke zweifelt an Mediziner-Aussagen Von Marco Carini
Alles gar nicht so gemeint. Drei Ärzte haben sich nur ein bisserl verformuliert. So löst sich der von den Medien beschworene „Skandal um illegale Menschenversuche“ an der Eppendorfer Uni-Klinik aus Sicht der betroffenen Mediziner in Luft auf. Weil sie nicht meinten, was sie schrieben, sei nicht wahr, was die Medien behaupten. So die gemeinsame Erklärung der Medizin-Professoren Dieter Kurt Hossfeld, Hans Josef Weh und Bernd Kremer.
Die drei Ärzte behandelten zwischen 1990 und 1992 am UKE gemeinsam 16 an Speiseröhrenkrebs erkrankte PatientInnen mit einer den Körper stark belastenden, aber wenig erforschten Kombination aus Strahlen- und Chemotherapie. Fünf PatientInnen überlebten die Kombi-Therapie nicht, die aufgrund dieser „ungeklärten Todesfälle“ (Hans Josef Weh) schließlich eingstellt wurde.
Streit herrscht nun darum, ob die Ethik-Kommission von dem Behandlungskonzept der Ärzte hätte in Kenntnis gesetzt werden müssen. Und ob die Patienten über die Gesundheits-Risiken einer gleichzeitigen Behandlung mit Chemo- und Strahlentherapie ausreichend aufgeklärt wurden; oder ob sie ahnungslose Versuchskaninchen ehrgeiziger Ärzte waren.
Die Unterlagen der Mediziner selbst sprechen da eine eindeutige Sprache. Von einer „Studie“ ist die Rede, bei der nach dem Zufallsprinzip („randomisiert“) PatientInnen in zwei Gruppen eingeteilt und mit unterschiedlichen Methoden behandelt wurden. So eine „Studie“ aber hätte nach internationalem Standesrecht bei der Ethik-Kommission angemeldet werden müssen.
Doch nun erklären die Ärzte unisono, daß sie überhaupt keine Studie betrieben hätten, und die Behandlungsmethoden nach der Schwere der Erkrankung, nicht aber nach dem Zufallsprinzip ausgewählt wurden. „Wir haben das einfach falsch formuliert“, erklärt Weh die eklatanten Widersprüche zwischen geschriebenen und gesprochenem Medizinerwort.
Auch daß auf die möglichen Gesundheits-Gefahren der Kombination aus Strahlen- und Chemotherapie nicht gesondert hingewiesen wurde, wie UKE-Direktor Leichtweiß noch im Dezember dem Wissenschaftsausschuß der Bürgerschaft schriftlich erklärte, sei falsch. Weh: „Wir haben alle Patienten umfassend über die Chancen und Risiken dieser kombinierten Therapie informiert und uns ihr ausdrückliches Einverständnis geben lassen.“ Beweisbar ist das nicht. Die drei Ärzte vergaßen nach eigener Darstellung, sich von den Erkrankten eine schriftliche Einverständniserklärung für die Sonderbehandlung geben zu lassen.
Für den Patienten-Anwalt Wilhelm Funke aber bleiben auch nach den Ausführungen der Ärzte „erhebliche Zweifel, ob die PatientInnen sachgemäß über die Risiken der Behandlung aufgeklärt“ oder ob sie von dem Ärzteteam bevormundet wurden. Funke: „Für eine solche Stellvertreter-Entscheidung gäbe es keinen rechtsfreien Raum.“
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