: Von Schlagern geschlagen
■ Das Trio Bo Doerek zeigt „Germany, 12 Points“ im Schmidt Theater
Genie und Wahn liegen auch oder gerade im Showbusiness nah beieinander. An dem angeblich ehemals erfolgreichen Schlagerduo „Roger und Renate“ ging die Showkarriere jedenfalls nicht spurlos vorüber. In einer „Nobel-Klapsmühle“ für gebrochene Stars müssen sie ein therapierendes Dasein fristen.
In Germany, 12 Points darf das Grand-Prix-geschädigte Pseudo-Duo Roger und Renate auf ein allürenreiches Leben zurückblicken. Verkörpert werden die beiden von den Hamburgern Alexandra Doerk und Hubertus Borck; am Klavier begleitet sie Jakob Vinje. Letzterer spielt den Pfleger der beiden Labilen, der schon mal in die Tasten haut, wenn sich einer ihrer zahlreichen Schlager-Anfälle gesangsmäßig niederschlägt.
So darf man sich einem nun tatsächlich hörenswerten Revival von „Dschinghis Khan“ oder good old Abba-Songs hingeben. Ohne billige Disco-Effekte, sondern nur mit Vinjes Piano untermalt kommen die alten Gassenhauer aus vierzig Jahren Grand-Prix Geschichte ganz neu zur Geltung. Der Original-Text wird beibehalten, aber leicht überzogen als Parodie dargebracht.
Dazwischen: Comedy-Einlagen, in der die Branche als wahres Irrenhaus entlarvt wird. So taucht Vicky Leandros als Nebeninsassin auf. Kommentar von Roger und Renate: „Wir haben den deutschen Schlager schon beim Grand Prix vertreten, als sie noch Touristengruppen durch die Akropolis hetzte!“ Und das ist noch einer der netteren Sätze.
Härter triffts da schon den Auslöser des ganzen Programms, denn „das wäre alles nicht passiert, wenn diese singende Dauerwelle nicht versagt hätte!“ Gemeint ist Leon, jener Schlagerstar-Absturz, der Deutschland im letzten Jahr die Vorausscheidung zum Grand Prix d'Eurovision de la Chanson vermasselte. Vernichtende „Germany, 12 Points“ hagelte es da aus den Kehlen internationaler Juroren. Das Comedy-Trio Bo Doerek sah sich daraufhin gezwungen, daraus ihr zweites abendfüllendes Programm zu machen. Mit ihrer ersten musikalischen Comedyshow Bis daß der Tod uns scheidet landeten sie 1995 am Imperial Theater einen Erfolg.
Bis sie dieses Programm ab dem 16.Februar im Schmidts wiederaufnehmen, werden Bo Doerek in Germany, 12 Points weiter dem deutschen Schlager Tribut zollen und weiter in gebrochenem Stolz über dessen Ikonen herziehen - professionell, dynamisch und gnadenlos! Klaus Rathje
Schmidt-Theater, bis 2. Februar
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