: Unterm Strich
Skandal in London: Der Leadsänger der britischen Popgruppe „East 17“, Brian Harvey, ist von seinen drei Kollegen umstandslos aus der Band geschmissen worden. In einem dramatischen Brief an Harvey, der am Samstag in dem Massenblatt The Sun veröffentlicht wurde, klagten die drei: „Brian hat uns praktisch zerstört.“ Harvey hatte in Großbritannien einen Sturm der Entrüstung ausgelöst, als er in einem Interview erklärte, Ecstacy sei „auf lange Sicht eine harmlose Droge.“ Was für Liam Gallagher ein Karriereschub gewesen wäre, kostete Harvey den Job. Die Reaktionen waren verheerend: Eltern zeigten sich entsetzt, und Rundfunkstationen verhängten einen Spielboykott gegen Aufnahmen von „East 17“. Harvey hatte sich damit gebrüstet, nach dem Genuß von zwölf Ecstacy-Tabletten auch noch seinen Wagen gesteuert zu haben! Als Folge der Einnahme der verbotenen synthetischen Droge sind in Großbritannien 1996 zehn Menschen gestorben. Als Harvey sich brav entschuldigte und vor den tödlichen Gefahren der Droge warnte, war es für seine Bandkollegen und Plattenmanager schon zu spät. Die Angst vor Absatzsorgen – „East 17“ ist zur Zeit eine der populärsten „boygroups“ und hat in den vergangenen drei Monaten mehr als eine Million Platten verkauft – trieb die drei restlichen Mitglieder zu dem Brief an Harvey, der an Heuchelei kaum zu überbieten ist. Dort heißt es, sie könnten sein Verhalten „nicht akzeptieren“ und den Drogenkonsum „nicht gutheißen“. Die Bandmitglieder sind überzeugt, daß Harvey „professionelle Beratung“ brauche. Durch seine „inkohärenten Interviews und Presseerklärungen“ habe er der Band großen Schaden zugefügt, der sich hoffentlich auf die Gruppe und ihre Fans nicht „tödlich“ auswirken werde. David Richards von der Plattenfirma „London Records“ erklärte den prompten Rausschmiß damit, daß übers Wochenende Tausende von Jugendlichen durch die Äußerungen Harveys zur Drogeneinnahme ermutigt werden könnten. Auf den Plan trat auch sofort eine Reihe von Experten, die stirnrunzelnd Harveys weitere musikalische Karriere als „fraglich“ beurteilten. Das scheint der Sünder auch so zu sehen. Der 22jährige Sänger, der aus dem Arbeitermilieu des Londoner East End kommt, erklärte dem Daily Mirror: „Ich fühle mich völlig ausgehöhlt. Ich bin aus dem Nichts gekommen, und ich kehre ins Nichts zurück.“
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