: Koalitionskrach nach Junkiesterben
■ Bisher keine weiteren Todesfälle und keine Spur vom Dealer
Wegen der Todesserie unter Junkies ist jetzt ein Streit um richtige Drogenpolitik in der Koalition entbrannt. Während die Polizei vergeblich nach Dealern fahndete, startete Gesundheitssenatorin Tine Wischer (SPD) ein Hilfsprogramm: Junkies können jetzt zehn Tage lang Heroin untersuchen lassen. Praktische Hilfe tut not, befand die Senatorin – Diskussionen um eine neue Drogenpolitik weniger. Doch die stellte sich wegen drogenpolitischer Äußerungen der Senatorin ganz automatisch ein.
Wischer hatte sich nämlich gestern erneut für eine kontrollierte Cannabis-Abgabe und legalen Besitz geringer Drogenmengen stark gemacht – und sich damit barsche Kritik von Innensenator Ralf Borttscheller (CDU) eingefangen. Solche Forderungen endeten in einem „Fiasko“, so Borttscheller. Wer harte Drogen legalisieren will, verharmlose das Problem. Sein Motto: Nur eine repressive Rauschgiftpolitik kann wirkungsvoll sein.
Die grüne Fraktionssprecherin Karoline Linnert schlug moderatere Töne an: Sie sagte zwar Ja zur kontrollierten Heroinabgabe – aber nur an einen bestimmten Drogenabhängigen-Kreis. Alles andere sei der Wunsch nach einem Allheilmittel: „In der Drogenpolitik kommen wir mit Dogmen nicht weiter.“ Der Bremer Drogenbeauftragte Ingo Michels forderte ebenfalls dazu auf, über kontrollierte Heroinabgabe nachzudenken: „Es gibt Modellversuche in der Schweiz und in Holland, die bereits ausgewertet wurden. Da gab es keine Todesfälle“.
Wegen der akuten Gefahr in Bremen hat Gesundheitssenatorin Tine Wischer nun quasi für zehn Tage, in Absprache mit der Staatsanwaltschaft, die Illegalität aufgehoben. So lange können Junkies in der zentralen Kontakt- und Beratungsstelle im Tivoli-Hochhaus am Bahnhof Heroin abgeben. Der Stoff soll in einem unabhängigen Labor untersucht werden. Außerdem werden Drogenabhängige, die nicht im Methadonprogramm sind, schnell mit Ersatzstoffen versorgt.
„Die Idee mit der Untersuchung der Heroinproben ist natürlich äußerst sinnvoll“, sagt ein Mitarbeiter aus der Drogenszene. Solch eine Prüfstelle hätten Junkies jedoch schon seit langem gefordert.
Die Polizei hat noch keinen Dealer ausfindig gemacht. Drei Verdächtige wurden wieder freigelassen – auf sie war man nach einem Gespräch mit dem einzigen reanimierten Heroinopfer gestoßen. Der 27 Jahre alte Mann ist bereits aus dem Krankenhaus entlassen. Er hatte das hochreine Heroin mit dem Hinweis, „das ist echt guter Stoff“ gekauft. Unklar ist immer noch, ob es sich bei dem Deal um ein Versehen gehandelt hat. „Die Ermittlungen sind schwierig, weil viele Zwischenhändler im Spiel sind“, so Polizeisprecher Frank Kunze. kat
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