: Miserable Haftbedingungen für Ramos Vega
■ Unter Auflagen lieferte ihn Deutschland aus – Haft in Spanien wie befürchtet
Madrid (taz) – „Die Haftsituation von Benjamin Ramos Vega ist genauso schlecht, wie es die Verteidigung in Berlin vorhergesagt hat“, schlußfolgert das Solidaritätskomitee mit dem Gefangenen nach einem Besuch in der Haftanstalt kurz vor Weihnachten. „Es besteht Lebensgefahr“, heißt es weiter in einem offenen Brief an den Vorsitzenden des 4. Strafsenats des Berliner Kammergerichts, Dr. Werner Nöldeke. „Wir erwarten von Ihnen, daß Sie sich als der für die Auslieferung Verantwortliche persönlich für die Haftbedingungen von Benjamin Ramos Vega und für die Einhaltung der von Ihnen selbst geforderten Garantien einsetzen.“
Ramos Vega wird vorgeworfen, eine Wohnung für die baskische Separatistengruppe ETA angemietet zu haben. Nöldeke hatte am 5. Juni 1996 dem Auslieferungsantrag Spaniens stattgegeben, obwohl Ramos' Verteidigerinnen, Petra Schlagenhauf aus Berlin und Jone Goirizelaia aus Bilbao, erhebliche Bedenken in Sachen Menschenrechte angemeldet hatten. Neben der in Spanien gegen politische Gefangene noch immer üblichen Folter, beklagten sie die Situation in den Haftanstalten. „Die gesundheitliche Versorgung für den Personenkreis von HIV- Positiven, zu dem der Verfolgte gehört, ist in spanischen Gefängnissen mehr als unzureichend“, schließt der Antrag Schlagenhaufs vom 20. September 1995. Zwei Drittel der 46.000 Inhaftierten sitzen dort wegen Drogendelikten ein. Die Mehrheit von ihnen ist HIV-positiv. Allein 1994 verstarben 183 Gefangene an Aids. 100 hatten einen Antrag auf Entlassung wegen Haftunfähigkeit gestellt, aber aufgrund der langen Bearbeitungszeit den Bescheid nicht mehr erlebt. Richter Nöldeke hatte die Auslieferung dennoch für zulässig erklärt.
Doch noch am Tag seiner Ankunft in Madrid wurde Benjamin Ramos in das wegen heilloser Überfüllung berüchtigte Gefängnis Carabanchel gebracht. Auf der dortigen Krankenstation kam er vor allem mit drogenabhängigen Gefangenen in Kontakt, die meist an ansteckenden Krankheiten litten. „Für einen Aids-Kranken eine äußerst gefährliche Situation“, beklagt sich Anwältin Jone Goirizelaia. Die vom Haftarzt in Deutschland verordnete Diät bekam Ramos erst wieder, als er mit Hungerstreik drohte. Zwei Monate später wurde er in das 50 Kilometer entfernte Alcala Meco verlegt. Die dortigen „hygienischen und sanitären Bedingungen sind dermaßen schlecht, daß ab Oktober Tuberkulose dort in einem solchen Ausmaß grassierte, daß die warmen Gemeinschaftsduschen abgestellt werden mußten, um eine weitere Ausbreitung zu verhindern“, klagt das Solidaritätskomitee in seinem Brief an Richter Nöldeke. Ramos' Blutwerte haben sich seit der letzten Untersuchung in Moabit deutlich verschlechtert. „Obwohl im Bescheid Nöldekes für Benjamin ,die Rechte eines normalen Untersuchungsgefangenen‘ eingefordert werden, ist er Sonderhaftbedingungen ausgesetzt“, beschwert sich seine Anwältin.
Wer einen Besuchsantrag stellt, wartet bis zu drei Monaten auf den Bescheid, Journalisten werden grundsätzlich nicht vorgelassen, Briefe, selbst die seiner Anwältinnen, gehen durch die Zensur. Ramos protestierte ohne Erfolg. Zuletzt sandte er einen Brief an den deutschen Botschafter in Madrid, in dem er auf den krassen Widerspruch zwischen den Auflagen und seiner Haftsituation hinwies. Eine Antwort erhielt er nie.
Mittlerweile sitzt Ramos zwei Jahre in Untersuchungshaft. Wann sein Prozeß beginnt, weiß er nicht. „Eile haben die Richter keine“, sagt Anwältin Goirizelaia, „in Spanien kann die U-Haft bis zu vier Jahre dauern. Benjamin liegt also gut in der Zeit.“ Reiner Wandler
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