: "Ich bin nicht böse"
■ Ein Interview mit "Schtonk"-Regisseur Helmut Dietl zu seinem neuen Film "Rossini oder die mörderische Frage, wer mit wem schlief"
taz: Das „Rossini“-Personal plagen allerlei Gebrechen...
Helmut Dietl: Natürlich sind das Hypochonder, wie alle im Filmgeschäft. Und obendrein haben die wie ganz normale Leute ihre Zipperlein.
Finden Sie es normal, daß einer sein schwächelndes Genital mit Weihwasser bespritzt wie der Wirt in „Rossini“?
Ich kann das sehr gut verstehen. Das gehört zu den normalen Abgründen eines Menschen.
Gudrun Landgrebe spielt eine Frau, die zwischen einem Filmproduzenten und einem Dichter steht – und unter Verstopfung leidet. Warum gerade das?
Es geht darum, den körperlichen Ausdruck für die seelische Situation zu finden. Und hier ist die Verstopfung das richtige, weil sie der Ausdruck für eine gewisse Unmöglichkeit ist, und ohne jetzt sehr ins Detail gehen zu wollen, sind die Bemühungen, die da geleistet werden müssen, ja auch mit großen Anstrengungen verbunden.
Der Produzent im Film hat eine gewisse Ähnlichkeit mit Bernd Eichinger, der Dichter erinnert an Wolf Wondratschek, zwischen denen einst eine Cutterin stand, die...
Ich habe keinen Dokumentarfilm über meine Freunde gemacht. Bei „Rossini“ den Regisseur, den Produzenten oder die Schauspielerin auf Helmut Dietl, Bernd Eichinger, Veronica Ferres zu reduzieren ist Quatsch, dann wäre das bestenfalls ein Abiturientenspaß. Ich setze Figuren aus verschiedenen Personen zusammen – so, wie ich sie erfahren habe, und nicht, wie sie sind. Landgrebe spielt auch nicht die Eichinger/Wondratschek-Freundin, sondern eine Frau, die zugrundegeht, weil sie zuviel will, nämlich alles: Sie will Frieden und Freundschaft und verzehrende Liebe – alles zugleich und von zwei Männern. Sie stellt aber fest, daß es dann mit den beiden Männern auch nicht geht, weil bei ihnen das Interesse an der Rivalität größer ist als das an der Frau.
Warum zeichnen Sie Ihre Figuren so bitterböse?
Nicht böse. Kritisch würde ich sagen. Ich liebe Robert Altman, weil der einen Blick auf die Menschen hat, der mir sehr verwandt ist. Nach seinem „Shortcuts“ sagten viele, daß sie die Figuren negativ fänden und das Ganze bitterböse. Ich fand das von einer großen Versöhnlichkeit, wie dieser Mann Menschen in ihren Abgründen zeigt. Wir sind nur gewohnt, daß man die Wahrheit schönt. Ich finde die Menschlichkeit großartig, die da zum Ausdruck kam, dieses Verständnis für Schwäche. Ich habe mich aufgeregt über alle, die sagen, ich weiß nicht, was du an diesen kaputten Typen findest. Was heißt denn da kaputte Typen? So kaputt wie die sind alle. Sie tun nur, als ob sie heil wären.
Götz George hat gesagt, er findet es toll, mit Ihnen zu arbeiten, aber jedes Jahr könnte er es nicht ertragen.
Das glaube ich. Aber es kann sein, daß ich ihn auch nicht jedes Jahr ertragen könnte. Götz ist ein großartiger Schauspieler – aber gewöhnt, daß alles so gemacht wird, wie er will. Bei mir geht das nicht. Daran hat er sich erst einmal wieder gewöhnen müssen.
Warum gehen Sie nur selten ins Kino?
Weil es mich wahnsinnig verwirrt. Ist der Film gut, sage ich mir, so toll werde ich es nie können. Und wenn der Film schlecht ist, deprimiert es mich noch mehr, weil ich mich frage: Wozu braucht man den Dreck?
Haben Sie den „Bewegten Mann“ gesehen?
Ja, und ich habe mich sogar amüsiert. Der Joachim Król hat die ganze Sache getragen, weil er eine große menschliche Qualität hat: Den mag man einfach.
Sind Sie da auf ihn als Schauspieler für „Rossini“ gekommen?
So ist es. Ich habe damals gesagt, das ist der Rühmann der 90er Jahre.
„Monaco Franze“, den Sie 1983 gedreht haben, war melancholisch, aber doch viel heiterer als ihre folgenden Serien und Spielfilme.
Das hat nur damit zu tun, daß ich jünger war.
Macht das Alter böse?
Ich finde nicht, daß ich böser geworden bin. Wenn jemand Menschen genau sieht, finden das viele böse, weil sie am liebsten dauernd die Augen zumachen. Auch weil im Fernsehen fast nur zugeschmierte Angelegenheiten laufen. Ich arbeite mich an meinen Lebenserfahrungen entlang und versuche dennoch nicht zynisch zu werden. Wenn Sie fünfzig Jahre gelebt haben und nicht ein totaler Blödian sind, dann liegt es nahe, daß Sie zum Zyniker werden. Das ist ja alles nicht zum Aushalten. Und wer seine Illusionen verliert, wird sich wahrscheinlich umbringen.
Haben Sie schon daran gedacht?
Daran denke ich dauernd. Mich hält nicht nur eine gewisse Feigheit ab, es ist mir auch zu billig.
Wie wichtig ist Ihnen der Erfolg?
Beifall empfinde ich als eine Form von Liebe. Wenn ich mich früher mit einem Problem künstlerischer Natur abgequält habe – wir haben oft drei Tage über einen Satz diskutiert –, dann war mir wurscht, ob mein Kind oder meine Frau krank waren. Heute finde ich den Satz immer noch wichtig, aber ich bin durchlässiger für die Menschen. Interview: Anton Kuschmann
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen