: Unterm Strich
Neben dem Nachlaßdrama Müller/Mayer findet nun ein anderes, kaum weniger turbulentes Witwenstück seine Fortsetzung. Im Streit um das Erbe des Schriftstellers Uwe Johnson (1934–1984) hat dessen Witwe Elisabeth Johnson dem Suhrkamp-Verlag „Erbschleicherei“ vorgeworfen.
In einem Interview mit der Hamburger Zeitung Die Woche verglich Elisabeth Johnson die Vorgehensweise von Verlagschef Siegfried Unseld mit der von „Alten- und Krankenpflegern, die den Pflegebedürftigen mit dem Entzug der Pflege drohen und dann von ihnen zu Erben gemacht werden“. Sie ziehe einen Zivilprozeß in Betracht.
Im Dezember war die heftige Diskussion um das bei Suhrkamp verlegte Erbe neu entbrannt. Der Berliner Autor Werner Gotzmann hatte dem Frankfurter Verleger vorgeworfen, dem alkohol- und herzkranken Johnson „das Messer an die Kehle gesetzt“ zu haben, um an die Urheberrechte zu kommen. Der Büchner-Preisträger habe 1983 daraufhin sein Testament zuungunsten seiner Frau geändert. Ein jahrelanger Rechtsstreit zwischen Elisabeth Johnson und Suhrkamp war erst 1995 beigelegt worden: Ein Berliner Gericht hatte das zweite Testament Johnsons für verbindlich erklärt.
Nach der Veröffentlichung des Buches von Gotzmann hatte Unseld im Dezember in Frankfurt eine Pressekonferenz gegeben, auf der er alle Vorhaltungen zurückgewiesen hatte. Elisabeth Johnson bezeichnete er als „späte Witwe“, die sich ihren Platz in der Literaturgeschichte sichern wolle. Im Woche-Interview stellte Elisabeth Johnson klar, daß es ihr neben einer Neubewertung von Johnsons Nachruhm auch um irdische Dinge gehe: Unseld sei nach wie vor im Besitz ihrer persönlichen Briefe und Fotos, die er sich weigere, herauszugeben. Außerdem habe die Freundschaft mit Uwe Johnson, auf die Unseld sich so gern berufe, nie existiert.
Unbelastet von Erbschaftsfragen wird in den USA und Kanada Rainer Werner Fassbinder eine umfassende Retrospektive gewidmet. Die Rückschau auf das Werk des Regisseurs soll im Museum of Modern Art und in 13 Goethe-Instituten gezeigt werden. Die Retro wird heute in New York mit einer Gala eröffnet, auf der auch Florian Hopfs Dokumentarfilm „Rainer Werner Fassbinder 1977“ gezeigt wird. Ergänzt wird die Filmreihe durch eine Ausstellung, die in sechs Städten gezeigt werden soll.
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