: Kopf ab? Nein danke!
■ betr.: „Bürgerinitiative fordert Todesstrafe“, taz vom 20.1. 97
[...] Die Menschen, die in der BürgerInneninitiative die Todesstrafe fordern, sind ebenso krank wie jene, die – wenn's nach ihrem Willen, dem Willen der ungebildeten, primitiven Anhänger der Lynchjustiz ginge – hingerichtet werden sollten. Ich persönlich kenne eine Menge Menschen, denen ich am liebsten die Zähne einschlagen würde, die ich vor Wut und Verzweiflung eigenhändig umbringen könnte, aber gerade daß ich es nicht tue, macht mich zum Menschen. Ich habe doch schon so viel in diesem Staate, gegen das ich protestieren muß, da will ich nicht auch noch gegen die Todesstrafe protestieren müssen.
Natürlich sollten wir all jene umbringen, die Kinder quälen, fangen wir erst einmal damit an, die gezielt auf Kinder ausgerichtete Werbeindustrie auszumerzen – LayouterInnen, Werbefachleute und GraphikerInnen an die Wand, erschießen wir jene, die die Zähne unserer Kinder mit Nutella und Gummibärchen verschandeln, ihnen ein kommerzielles Weiblichkeitsbild in Form von Barbiepuppen aufzwingen und sie mit Nintendo-Spielen verdummen, und hängen wir bitte auch gleich alle PolitikerInnen auf, die die Demontage des Sozialstaates bewerkstelligen und Kinder in Armut und Abhängigkeit von der Sozialhilfe drängen. Diese Menschen fügen Kindern völlig legal schwerste Schäden an Leib und Seele zu, aber keine BürgerInneninitiative hechelt gegen sie, will ihnen den Kopf abschlagen. [...]
Das ist das Nette an der Todesstrafe, ist sie erst einmal eingeführt, so wird sie auch bald auf weitere Straftaten als die Vergewaltigung von Kindern ausgeweitet, zuerst auf alles, was als abartig gilt, sowohl im sexuellen wie auch im politischen Sinne, und später können wir ja gleich LadendiebInnen und SchwarzfahrerInnen umbringen. [...] Kerstin Witt, Berlin
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