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Schwere Vorwürfe gegen Scherf

■ Ärger nach Knast-Ausbruch: Beamter wies Justizsenator schon im Herbst auf Sicherheitsmängel hin

Hätte der Ausbruch der vier Häftlinge aus der Justizvollzugsanstalt Oslebshausen verhindert werden können? Ein Justizvollzugsbeamter meint, ja. In einem sechs Seiten langen Brief an den Justizsenator, der der taz vorliegt, hat er sich bereits im November über die „unqualifizierte Anstaltsleitung“ und die „eklatanten Sicherheitsmängel“ beklagt:

Ein Häftling soll in seiner Zelle unbemerkt einen Sprengkörper gebastelt haben. Die Drohbriefe des Häftlings und die Warnungen einiger Justizvollzugsbeamten seien von der Anstaltsleitung „als Spinnerei“ abgetan worden, kritsiert der Justizvollzugsbeamte. Der Häftling hatte kurz vorher während eines genehmigten Ausgangs einen Anschlag auf einen Staatsanwalt verübt.

Bei einem anderen Häftling wurden 12,6 Gramm Haschisch gefunden. Der Mann gab an, das Rauschgift hätte seine Verlobte in den Knast geschmuggelt. Nach einer vierwöchigen Besuchssperre dürfe die Frau ihren Verlobten wieder in Oslebshausen besuchen, moniert der Beamte weiter. Der Personalmangel führe zu „erheblichen Sicherheitsmängeln“.

Mitunter käme auf 60 Insassen ein Vollzugsbeamter. Strafhäftlinge würden aus Platzgründen in die Untersuchungshaft verlegt. Deshalb käme es zu erheblichen Reibereien zwischen Häftlingen und Justizvollzugsbeamten. Beamte, die versuchen würden, für Ordnung zu sorgen, würden später als „Schlägertypen“ tituliert und müßten mit einer Anzeige wegen Körperverletzung im Amt rechnen, schreibt der Beamte – offenbar nicht ohne Grund: Im Oktober des vergangenen Jahres wurden in Oslebshausen vier Sexualstraftäter zusammengeschlagen – angeblich mit Hilfe von Beamten. Der Briefeschreiber gehört der betreffenden Schicht an. Derzeit wird ermittelt, ob er etwas mit der Sache zu tun hat.

Justiz-Staatsrat Michael Göbel will deshalb „nicht ausschließen, daß hier auch alte Rechnungen beglichen werden sollen.“

Die Sache mit dem Häftling, der in seiner Zelle einen Sprengkörper gebaut haben soll, sei beispielsweise falsch dargestellt. Nach dem Anschlag auf den Staatsanwalt wären besondere Sicherheitsvorkehrungen getroffen worden. Diese Vorkehrungen hätten dazu geführt, daß man die Teile für den Sprengkörper in der Zelle gefunden hätte. Danach sei der Häftling in den Hochsicherheitstrakt nach Celle verlegt worden.

Daß bei einem Häftling 12,6 Gramm Haschisch gefunden worden sei, räumt Göbel ein. „Ich gehe allerdings davon aus, daß die Freundin bei ihren Besuchen durchsucht wird.“

Daß „effektive Durchsuchungen schwierig“ sind, gibt Göbel zu. „Sie müssen schließlich alle Körperöffnungen untersuchen.“ Den Vorwurf der Überbelegung hält Göbel für übertrieben. „Es kann schon mal vorgekommen sein, daß ein Beamter kurzzeitig 60 Insassen zu beaufsichtigen hatte – allerdings nur nachts, wenn sie weggeschlossen waren.“

Göbel macht keinen Hehl daraus, daß es im Strafvollzug nicht immer reibungslos zugeht: „Wir versuchen im Moment noch einmal Schwachpunkte zu ermitteln, die sich eingeschlichen haben könnten. Dazu wollen wir auch auf auswärtigen Sachverstand zurückgreifen.“

Mittlerweile hat die Polizei den zweiten der vier Ausbrecher gefaßt. Der 26jährige Mann, der wegen räuberischer Erpressung in Oslebshausen einsaß, wurde in Hamburg festgenommen. kes

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