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Mit Ökosteuern die Rente finanzieren

Grüne Bundestagsfraktion schlägt vor, mit Energiesteuern die versicherungsfremden Leistungen in der Rentenversicherung zu finanzieren. Auch SPD-Schröder offenbar dafür  ■ Von H.-J. Tenhagen und J. Voges

Berlin/Hannover (taz) – Die grüne Bundestagsfraktion will mit der Einführung einer Energiesteuer die Löcher in den Rentenkassen stopfen. Michaele Hustedt, umweltpolitische Sprecherin der Grünenfraktion, stellte gestern ein Modell vor, bei dem die Einnahmen aus einer neuen, jährlich steigenden Energiesteuer zur Finanzierung sogenannter versicherungsfremder Leistungen in der Rentenversicherung eingesetzt werden. „Wir fordern eine ökologisch-soziale Steuerreform für einen modernen Generationsvertrag“, so Hustedt.

Die Energiesteuer nach Art der Grünen würde im ersten Jahr Einnahmen von 13,3 Milliarden Mark bringen. Dabei wären Steuerausfälle durch Härteregelungen für sozial Schwache und die Anpassungshilfen für bestimmte Industrien schon eingerechnet. „Schon im zweiten Jahr können wir mit den dann auf über 20 Milliarden Mark steigenen Nettoeinnahmen die Blümsche Familienkasse finanzieren“, erklärt Hustedt. Im Jahr 10 nach Einführung der Energiesteuer könne das Finanzministerium zusätzlich Einnahmen von rund 80 Milliarden Mark erzielen.

Damit könnte nicht nur die geplante Familienkasse bezahlt werden. Auch für die Ostrenten, die Frühverrentung und sogar für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen stünde dann der Bundesanstalt für Arbeit wieder Geld zur Verfügung. Mit diesen Bundeszuschüssen für die versicherungsfremden Leistungen könnten schließlich die Beiträge zur Sozialversicherung um sechs Prozent sinken, ohne daß die Sozialkassen in die Pleite schlittern. Arbeit würde gleichzeitig für Unternehmen real billiger. Die grüne Rentenexpertin Andrea Fischer nennt das hauseigene Konzept ihrer Fraktion schlicht die „sachgerechte Finanzierung“ für die sozialen Sicherungssysteme.

Hinter dem Vorschlag zur Rentenreform scheint auch die fundamental andere Herangehensweise an Theo Waigels geplante große Steuerreform auf. Die Bündnisgrünen sehen Reformbedarf, aber derzeit keine Möglichkeit für Steuergeschenke à la Waigel. Wenn man die Bürgerinnen und Bürger bei den Einkommenssteuern und Sozialbeitägen entlastet, müsse man die verlorenen Einnahmen durch Steuererhöhungen bei Energiesteuern und Streichungen bei Subventionen wieder hereinholen.

Auch Niedersachsens Ministerpräsident Gerhard Schröder (SPD) kann sich zur Gegenfinanzierung der Steuerreform jetzt die Einführung einer Ökosteuer vorstellen. Unter bestimmten Bedingungen sei es sinnvoll, die Mittel für die geplante Steuerreform über eine höhere Besteuerung des Resourcenverbrauchs aufzubringen, sagte gestern der niedersächsische Staatskanzleisprecher Uwe-Karsten Heye.

Schröders erste Bedingung sei, daß die neue Ökosteuer alle Arten des Energieverbrauchs betreffe. Die Steuer müsse gleichermaßen auf Mineralöl, Strom und Heizenergie erhoben werden und dürfe sich keineswegs in einer Mineralölsteuererhöhung erschöpfen. Außerdem dürften die energieintensiven Industrien der Chemie- oder Automobilbranche durch die Ökosteuer nicht zusätzlich belastet werden. Der höheren Besteuerung des Resourcenverbrauchs müßten in jedem Falle entsprechende Entlastungen gegenüberstehen. Eine Erhöhung der Mehrwertsteuer zur Finanzierung der Steuerreform lehnt Gehard Schröder jedoch weiter ab. Bisher hatte der SPD-Politiker künftige Ökosteuern zwar prinzipiell als sinnvoll bezeichnet, eine baldige Erhebung dieser Steuer allerdings abgelehnt.

Die Grünen haben ihren Vorschlag gestern am Beispiel einer vierköpfigen Familie mit 5.214 Mark Nettoeinkommen vorgerechnet. Die Ökosteuern würden die Energierechnung der Modellfamilie um 19,50 Mark erhöhen, die Beitragsentlastung würde sich auf 24,60 Mark belaufen. Netto blieben im ersten Jahr jeden Monat sogar gut fünf Mark übrig. Ähnlich fiele die Bilanz auch nach zehn Jahren aus. Auch dann bleiben dieser Familie durch die gleichzeitige Entlastung noch monatlich 4,56 Mark übrig. Wer allerdings bis dahin Energiesparmaßnahmen – von der Wärmedämmung für ein Haus bis hin zu einem spritsparenden Auto – ergriffen hätte, könnte von diesem Modell noch stärker profitieren, so Hustedt.

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