: Staatliche Verunsicherungspolitik
■ betr.: „Einwanderung: Zwickel für Quotierung“ (Telegramm) taz vom 27. 1. 97
Nach den Vorstellungen der CSU sollen Menschen aus Staaten, die nicht der EU angehören, in Deutschland nur dann einen Arbeitsplatz erhalten können, wenn sie hier zumindest fünf Jahre gelebt haben. Es stellt sich die Frage, was diese Leute innerhalb der ersten fünf Jahre ihres Hierseins machen. Da der Besitz von Geld Voraussetzung für ein menschenwürdiges Leben auf der Erde ist, werden sie in Deutschland staatliche Unterstützung beantragen müssen. In Anbetracht der prekären ausländerpolitischen Situation, in die uns unüberlegt handelnde politische Kräfte wieder einmal gebracht haben, ist eine „Entschärfung des sozialen Sprengsatzes“ dadurch kaum zu erwarten.
Entsprechendes gilt für Ausländer, die aufgrund von der IG Metall vorgeschlagener Ausländerquoten für den deutschen Arbeitsmarkt keinen Arbeitsplatz erhielten. Bereits heute provoziert staatliche Verunsicherungspolitik Deutsche zum argwöhnischen Betrachten nichtdeutscher Sozial- und Arbeitslosenhilfeempfänger.
Läßt man einen Teil der in Deutschland Einwandernden erst nach fünf Jahren arbeiten oder ignoriert man ihre Arbeitsmotivation im fremden Land durch Einführung der Quotenregelung, so werden zwangsläufig weniger Ausländer in Deutschland arbeiten und mehr anderwärtige Unterstützung durch die Steuerzahlergemeinschaft erfahren müssen. Hier liegt der selbstverschuldete „soziale Sprengsatz“, den Monokulturell-Konservative gerne als Argumentationsgrundlage benutzen.
Radikale Verschärfungen des Asyl- und Ausländerrechts sowie arbeitsmarktpolitische Ausgrenzung von Menschen anderer Nationalität lösen nicht die Probleme der modernen Zivilisation. Für diese Erkenntnis ist die Tatsache, daß eine Quotenregelung in vielen anderen europäischen Ländern bereits etabliert ist, irrelevant. Der Nationalismus war zu Beginn des Jahrhunderts ein verbreitetes Phänomen in Europa, auch eine Tatsache, die aber den deutschen keineswegs plausibel macht.
Die marode und nicht wandlungsfähige wirtschaftliche Ordnung mußte als logische Konsequenz in dem Chaos enden, das heute global und in allen Bereichen des Lebens um sich greift.
An ihr gilt es anzugreifen und zu reformieren, statt Symptome ihres unabwendbaren Scheiterns auszumerzen. Daniel Hard, Platten
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