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Die Fledermaus, das unbekannte Wesen

■ Blutsauger sehen anders aus: Eine Ausstellung über Mini-Batmänner und -frauen

an kennt das Phänomen vom Esso-Tiger im Tank: die Verwertung von Tieren in Werbung und Unterhaltungsmedien ist ein gutes Anzeichen dafür, daß der Tierart in Wirklichkeit der Garaus gemacht wird. Ähnlich steht's um die Fledermäuse, die sich in den letzten Jahren als Bat- oder Genschmänner zunehmender Beliebtheit erfreuen durften und zu den populären Medientieren gehören. In natura gelten sie aber eher als unheimliche Schattenwesen, auf die man bei zufälligen Begegnungen meist mit Grausen reagiert.

Das solchermaßen unbekannte Tier näher vorzustellen ist das Ziel einer kleinen Ausstellung, die der Naturschutzbund (NABU) in der Stadtwaage (Langenstraße 13) veranstaltet und dort bis zum 19.2. besichtigt werden kann.

Die „Fledermausexperten“ Lothar Bach und Ingo Raschen räumten bei der Ausstellungseröffnung am letzten Freitag erst einmal mit den „alten Mythen“ auf, in welchen ihre Schützlinge als blutsaugende Vampire dargestellt wurden, die nicht nur Krankheiten übertrügen, sondern das Böse schlechthin verkörperten. Die Ursachen solcher Sagenbildung mögen darin liegen, daß die Tiere nachtaktiv sind und vom Beobachter meist nicht näher zu erkennen sind.

Erst 1940 kam man im Zuge der Radarentwicklung dahinter, wie die Fledermäuse sich im Dunkeln orientieren können: Ähnlich wie Wale und Delphine senden sie Ultraschallwellen aus, die von den umliegenden Gegenständen reflektiert und dann von den Ohren der Fledermaus wieder aufgefangen werden, so daß ein räumliches „Hörbild“ entsteht.

Gefährlich aber seien die Fledermäuse ganz und gar nicht, ja sogar nützlich, da sich zumindest die europäischen Arten ausschließlich von Insekten ernähren – in einem Ausmaß allerdings, das doch etwas unheimlich wirkt, denn „Fledermäuse fressen in ihrer aktiven Jahreszeit täglich bis zu 50 Prozent ihres eigenen Körpergewichts an Insekten. Das sind umgerechnet etwa 600 Mücken, Motten und Käfer pro Stunde und Fledermaus.“

Die auf der Südhalbkugel verbreiteten Arten hingegen, wegen ihrer Größe auch „Flughunde“ genannt, nehmen hauptsächlich Früchte zu sich und spielen so eine wichtige Rolle bei der Pollenverbreitung. Die Farmer dort danken es ihnen aber schlecht und nageln schon mal ein Exemplar an einen Baum, zur Abschreckung der Artgenossen. In Deutschland kommen von den weltweit rund 700 Arten nur 22 vor, in Bremen und Umgebung haben Raschen und Bach bislang acht Arten gezählt. Zwischen 1950 und 1980 sei der Bestand, so meinen die Experten, um bis zu 90 Prozent geschrumpft. Heute stehen die Fledermäuse auf der „roten Liste“ der bedrohten Tierarten.

Gerade deshalb eignen sie sich aber stellvertretend als „Umweltindikatoren“ für eine Reihe schüt-zenswerter Tier- und Pflanzenarten: Von den Ansprüchen der einen Art kann man auf die Qualität ihres Lebensraumes schließen. Bremen beispielsweise hat „vielfältige Stadtstrukturen“: Gärten, Parks, Hecken und obendrein eine reichen Insektenfauna. Das lehrt die Existenz der Breitflügelfledermaus.

Daß es so dramatische Einbußen in der Population der Flatterer gab, hat vor allem zwei Ursachen: zum einen der intensive Gebrauch von Pfanzenschutzmitteln. Die Tiere wurden massenhaft vergiftet. Seit dem Verbot aggresiver Mittel wie DDT erhole sich die Fledermauspopulation allerdings wieder merklich, sagen die NABU-Spezialisten. Und zweitens wurden systematisch die Fledermaus-Winterquartiere zerstört. Fledermäuse sind nämlich ähnlich wie Igel Winterschläfer, die sich während der kalten Jahreszeit an frostsichere und feuchte Orte wie Keller, Bunker, Kirchtürme und Dachböden begeben und dort, bei stark reduzierter Körpertemperatur und Pulsfrequenz, von ihren Fettreserven zehren.

Die Ortstreue, welche die Flattertiere ihren Winterquartieren oft über Generationen hinweg halten, ist heute durch Gebäudesanierungen, beleuchtete Kirchtürme und wärmeisolierte Dachböden zum Problem geworden. Die Fledermäuse finden keine Einfluglöcher mehr – und werden obdachlos.

Auch in der Sparkassenfiliale in der Stadtwaage haben die Tiere jetzt eher eine lumpige Unterbringung gefunden, die Stellwände sind halb verdeckt, was die beabsichtigte Publikumswirksamkeit ziemlich einschränken wird.

Am 12.2. gibt es neben der Ausstellung einen Diavortrag über die „geheimnisvollen Jäger der Nacht“, Eintritt: fünf Mark.

Markus Neumann

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