: Uiguren in China protestieren gegen Peking
■ Zehn Tote nach Demonstration für die Unabhängigkeit der Provinz Xinjiang
Bangkok (taz) – In der nordwestchinesischen Provinz Xinjiang ist es in der vergangenen Woche zu schweren Unruhen gekommen: Zehn Menschen sollen nach einer Kundgebung muslimischer Uiguren für die Unabhängigkeit von China getötet worden sein. Tausend jugendliche Demonstranten überfielen am Mittwoch in der Stadt Yining ethnische Han-Chinesen. Das berichtete die Hongkonger Zeitung Ming Pao gestern.
Die Lage in Xinjiang ist seit langem gespannt. In der riesigen Grenzprovinz sind fast die Hälfte der Bewohner Uiguren – deren Sprache mit dem Türkischen verwandt ist. Etwa zehn Prozent bilden Kasachen, Tadschiken und Kirgisen. Der Rest, rund ein Drittel der Bevölkerung, sind Han- Chinesen. Die meisten von ihnen wurden aus anderen Landesteilen Chinas angesiedelt.
Erst Anfang Januar hatte die Provinzregierung von Xinjiang zum „resoluten Kampf gegen ethnisches Spaltertum und illegale religiöse Aktivitäten“ aufgerufen. In den Monaten zuvor waren mehrfach Berichte von Unruhen, Bombenanschlägen und Zusammenstößen zwischen chinesischer Polizei und islamistischen Gruppen ins Ausland gedrungen. Militante Untergrundorganisationen, die einen eigenen islamischen Staat anstrebten, sollen auch Anschläge gegen uigurische Funktionäre und Geistliche verübt haben, die mit den chinesischen Behörden zusammenarbeiteten. Die chinesische Regierung setzt alles daran, um einen wachsenden Einfluß islamistischer Gruppen aus den Nachbarländern – vor allem Tadschikistan, Kasachstan und Kirgistan – zu verhindern. Doch das ist schwer: Die Grenzen sind durchlässig. Zudem dürfen immer mehr uigurische Muslime nach Mekka pilgern und dort Kontakte knüpfen.
Bislang versucht die Regierung in Peking, die wichtige Grenzregion mit Zuckerbrot und Peitsche unter Kontrolle zu halten: Gezielte Wirtschaftsförderung hat dazu geführt, daß der Lebensstandard in Xinjiang höher ist als in den zentralasiatischen Nachbarstaaten. Zugleich aber rufen die Behörden immer wieder zu neuen Kampagnen zur Unterdrückung eigenständiger kultureller und religiöser Bestrebungen auf: So ordnete Peking im vergangenen Jahr an, daß alle religiösen Bücher und Kassetten offiziell genehmigt werden müssen. Bei einer großen Verhaftungsaktion kamen im vergangenen Jahr mehrere hundert Personen ins Gefängnis oder ins Arbeitslager. Peking betrachtet die Unruhen mit zunehmender Sorge: Xinjiang ist nicht nur politisch, sondern auch wirtschaftlich enorm wichtig; es ist reich an Rohstoffen wie Öl, Gas, Kohle und Eisen. Die chinesischen Militärs testen in der Wüste von Xinjiang ihre Atomwaffen. Jutta Lietsch
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