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Visumpflicht spaltet SPD-Führung

■ Präsidium appelliert in internem Schreiben an die Länderinnenminister, der Visumpflicht für Ausländerkinder im Bundesrat nicht zuzustimmen. Bisher hatten die Länder nur Details der Kanther-Verordnung kritisiert

Hannover (taz) – In der SPD gibt es Streit über die neue Visumpflicht für Kinder von Einwanderern aus der Türkei, Tunesien, Marokko und dem ehemaligen Jugoslawien. Die Bundes-SPD möchte die hierzulande aufwachsenden Kinder und Jugendlichen unter 16 aus diesen Ländern auch künftig vor dem regelmäßigen Gang zum Ausländeramt bewahren. Dagegen befürworten die sozialdemokratischen Länderinnenminister grundsätzlich die neue Visumpflicht. Diese gilt für jene 800.000 unter 16jährigen, die bisher ohne eigene Aufenthaltsgenehmigung in der Bundesrepublik leben konnten. Wie ein Sprecher des hessischen Innenministeriums gestern bestätigte, hat die stellvertrende SPD-Vorsitzende und rechtspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion Herta Däubler-Gmelin bereits am 24. Januar an alle sozialdemokratischen Innenminister einen Brief geschrieben. Darin verlangt sie im Namen des Parteipräsidiums von den SPD-Ländern, die neue Visum-Verordnung im Bundesrat zum Teil zu Fall zu bringen. Die sozialdemokratischen Länderinnenminister sollen nach Meinung der SPD-Parteispitze zumindest jenem Teil der neuen Visum-Verordnung die Zustimmung verweigern, der die bereits hierzulande lebenden Kinder und Jugendlichen betrifft. Der Bundesrat muß sich spätestens Anfang April mit der Visumpflicht befassen, die Bundesinnenminister Kanther (CDU) vor einem Monat per Eilverordnung in Kraft gesetzt hatte. Die ohne Zustimmung der Länder erlassene Verordnung ist auf drei Monate befristet. Um die neue Visumpflicht auf Dauer anzuordnen, braucht der Bundesinnenminister die Zustimmung seiner Länderkollegen.

Die sozialdemokratischen Innenminister haben bisher allerdings nur an Details von Kanthers neuer Visum-Verordnung Kritik geübt. Der niedersächsische Innenminister Gerhard Glogowski (SPD) hatte die Verordnung, über die es im Vorfeld Gespräche zwischen Bund und Ländern auf Beamtenebene gegeben hatte, von vornherein begrüßt. Anders als etwa auch die SPD-Bundestagsfraktion hält Glogowski nur eine Änderung der Verordnung in einigen Punkten für notwendig. So will er die Frist, innerhalb derer bisher nicht visumpflichtige Kinder eine Aufenthaltsgenehmigung beantragen müssen, bis Mitte 1998 verlängert sehen. Mit Bundesinnenminister Kanther habe man bereits entsprechende Gespräche geführt, schrieb Glogowski kürzlich Däubler-Gmelin zurück. Mit den von Glogowski vorgeschlagenen Korrekturen an der neue Visumpflicht ist die Bundes-SPD bisher nicht zufriedenzustellen. Auch die Bonner SPD- Bundestagsfraktion teilt uneingeschränkt die Bedenken der SPD-Parteispitze gegen die Visumpflicht für hierzulande aufwachsende Kinder und Jugendliche. Nach Meinung der Innenpolitiker der Bundestagsfraktion läuft es den jahrelangen Bemühungen um eine erleichterte Einbürgerung für diese jungen Menschen zuwider, wenn diese demnächst eine eigene Aufenthaltsgenehmgung beantragen müssen. Am kommenden Montag wollen sich die SPD-Innenpolitiker aus Bund und Ländern auf Kompromißsuche begeben. Einigen sollen sich zunächst die Mitglieder einer SPD-Arbeitsgruppe des Bonner Vermittlungsausschusses. Jürgen Voges

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