: Nur der Wachmann bleibt cool
Harald Juhnke wehrt sich vehement gegen Rassismus-Vorwürfe. Während Werbepartner und Sender die Chance ergreifen, den Entertainer loszuwerden, wittert dessen Anwalt eine Kampagne ■ Von Oliver Gehrs
Berlin (taz) – Die ARD schmiß Juhnke für ein paar Tage aus der „Klinik unter Palmen“, die Berliner Justiz prüft eine Klage wegen Volksverhetzung, und Bild kündigt die Freundschaft auf. Bei soviel Opportunismus will auch der SFB nicht nachstehen und eröffnet das Nachtreten mit der Absage der Juhnke-Gala im Friedrichstadtpalast.
Juhnke selbst war sich über seine Strategie erst noch nicht schlüssig. In den Tagesthemen ließ er Ulrich Wickert wissen, daß ihm Wörter wie „,Hitler‘ und ,vergasen‘ nicht einmal im größten Suff einfallen“ würden. Dabei hatte er noch kurz zuvor behauptet, sich an die Vorfälle im Hotel „Mondrian“ nicht erinnern zu können. Für Juhnkes Agent Peter Wolf ist die Sache klar: „Hier soll ein Mann tot gemacht werden“, sagte er, und auch Anwalt Nicolai Siddig glaubt, daß der TV-Sender Premiere den Skandal lanciert habe, um seinem Mandanten zu schaden.
Die Bild am Sonntag bekräftigte unterdessen ihre Vorwürfe. Allerdings geht aus der Erklärung der Chefredaktion hervor, daß ihre Reporter bei dem Vorfall gar nicht zugegen waren. Als Zeuge nannte die BamS statt dessen ausgerechnet Juhnkes Sohn Oliver, der ein Protokoll über den Vorfall unterzeichnet habe. Juhnke-Anwalt Siddig erklärte dazu, Oliver sei „total gelinkt“ worden – er habe das Protokoll nicht einmal gelesen.
Unklarheiten gibt es auch um den beleidigten Wachmann. Laut BamS habe sich Robert Ferrell, obwohl er kein Deutsch spricht, durch Nazi-Sprüche verunglimpft gefühlt, während Siddig erklärte, Ferrell habe sich mit viel Aufmerksamkeit um den betrunkenen Juhnke gekümmert. Dazu könnte immerhin passen, daß Ferrell bisher keine Klage erheben will, obwohl ihm wohl eine satte Entschädigung winken würde.
Doch nicht nur Juhnke, auch die selbsternannten Moralwächter spielen in diesem dummdeutschen Hollywood-Stück eine unglückliche Rolle: Juhnke habe „Deutschland vor aller Welt blamiert“, schreiben ausgerechnet Springers Boulevardblätter, die das auch durchaus selbst besorgen könnten. Würde man es mit der postulierten Moral bei BZ und Bild am Sonntag tatsächlich ernst nehmen, hätten die Reporter den erneuten Blackout des Entertainers wohl aktuell dokumentiert, anstatt eine Woche damit zu warten. So aber war Zeit genug, um eine Geschichte anzurühren, die nun mühelos die Titelseiten einer ganzen Woche füllt. In Ruhe wurde das Bildmaterial ausgewertet, als sogar Juhnkes verschwiemeltes Entschuldigungsfax aus der Karibik längst auf dem Tisch lag: „Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, was ich an diesem Abend alles gesagt habe ... Wer mich kennt, weiß, daß ich alles andere als ein Rassist bin.“
Warum eigentlich? Immerhin tauchte Juhnke schon mal beim Berliner „Dienstagsgespräch“ auf – einem Diskussionszirkel der rechtskonservativen Szene. Anschließend distanzierte er sich allerdings gegenüber der taz von dem Kreis. Doch vor diesem Hintergrund bleibt es zumindest zweifelhaft, ob Juhnke nur im Vollrausch nach einem Synonym für Motherfucker gesucht hat oder doch gern in Mölln dabeigewesen wäre.
Aber für Fragen hat niemand Zeit. Statt dessen beeilt sich ARD- Programmdirektor Günter Struve, den inzwischen Unbesetzbaren loszuwerden – und gleichzeitig politische Imagewerbung zu betreiben: ARD-Fans gegen rechts. Fast sieht es so aus, als habe die Öffentlichkeit nur nach einer Möglichkeit gesucht, um den ausgedienten Gaudibursch endlich loszuwerden. Der hatte noch bis vor kurzem in einem Werbespot für den Media- Markt behauptet: „Ich bin doch nicht blöd“ – doch so recht glauben mochte das schon lange keiner mehr. Schließlich wurde es mit der Zeit immer öder, mit anzusehen, wie Juhnke ständig aufs neue vom Alkohol abschwor, um sich anschließend mit Udo Lindenberg auf dem Hotelzimmer zu besaufen. So etwas wird auf die Dauer allenfalls in Berlin goutiert, wo Molle und Korn dazugehören wie die Currywurst. Juhnke schien das schon länger zu wissen. In einem Zeitungsgespräch sagte er vor kurzem: „Sie schreiben über alles, aber sie sagen nicht: ,Wann ist denn nun mal Schluß mit dem.‘“ Das wäre wohl jetzt geschehen.
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