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„Nur mit ihm kann ich es schaffen“

■ Drogenabhängige kämpft gegen Ausweisung ihres Mannes nach Dänemark Von Thomas Weihe

„Ohne meinen Mann hätte ich zur Therapie keine Kraft mehr. Ich bin so'n kleiner Suizidtyp und gebe leicht auf.“ Das sagt Susanne Gammelgaard, 36 Jahre, ehemals schwer drogenabhängige Prostituierte und seit fast drei Jahren erfolgreich in einer Polamidon-Substitutionstherapie. Ihr dänischer Mann, Jens Martin Gammelgaard, soll, nachdem er wegen Heroinhandels im Gefängnis war, in sein Heimatland abgeschoben werden.Die Ausländerbehörde beruft sich aufs Gesetz: Gammelgaard könnte wieder dealen – besonders wenn seine Frau rückfällig wird. Deshalb muß er zurück nach Dänemark.

Jens Martin Gammelgaard hatte mit dem Dealen begonnen, um den Stoff für seine süchtige Partnerin zu finanzieren. Das Geschäft brachte darüberhinaus auch Gewinn für ihn. Er wurde erwischt und zu vier Jahren Freiheitsentzug verurteilt.

Während er zunächst in Altengamme einsaß, dann wegen guter Führung als Freigänger arbeitete, fing Susanne eine Therapie an. Sie bekam die Ersatzdroge Polamidon und begann, in der „Palette 2“ mit einer Therapeutin zu arbeiten. Er jobbte als Raumpfleger, bekam Dauerurlaub und zog in eine Ein-Zimmer-Wohnung; sie stabilisierte sich immer mehr. Die meiste Zeit verbrachte sie in der Wohnung ihres Verlobten. Im März des letzten Jahres dann kam die auf Juni befristete Ausweisungsverfügung der Ausländerbehörde.

Weil Gammelgaards Rechtsanwalt Beschwerde einlegte und Susanne einen Antrag beim Petitionsausschuß stellte, ist er noch in Deutschland. Susanne, inzwischen seine Ehefrau, sagt: „Nur mit ihm kann ich die Therapie beenden.“ Nach Dänemark will sie nicht – neue Therapeuten, ganz unbekannte Sprache, unbekanntes Land. Ihre Ärztin bestätigt, daß eine Trennung die Therapie gefährden könnte. Die Therapeutin glaubt das auch und hält einen Ortswechsel für gefährlich. Hamburgs Drogenbeauftragter Horst Bossong setzte sich im vorigen Mai für die beiden ein. Er kritisierte die Argumentation der Behörde. Die bürokratische Formel ist: EG-Bürger muß man für bestimmte Straftaten ausweisen – Ausnahmen sind nur unter besonderen Umständen möglich. Trotz der bisher „angeblich erfolgreichen“ Therapie könnte Susanne Gammelgaard rückfällig werden – so die Behörde. Trotz günstiger Sozialprognose könne ihr Mann dann wieder dealen. Ein Umzug nach Dänemark sei den beiden durchaus zuzumuten. Bossong damals dazu: Die Substitutionsbehandlung in Hamburg sei meistens erfolgreich, die dazugehörigen Therapien langfristig angelegt. Behörden sollten darauf Rücksicht nehmen und dürften nicht von hoher Rückfallgefahr ausgehen.

Die Ausländerbehörde wiegelt ab: Gammelgaard könne ja nach einiger Zeit zurückkehren. Dazu der Däne: „Erst meine Arbeit und Wohnung hier aufgeben, in Dänemark eine neue suchen, die dann dort aufgeben und hier wieder neu suchen – das ist widersinnig. Außerdem hätte ich Angst, daß Susanne Dummheiten macht“.

„Wir sind eben verpflichtet, das Gesetz anzuwenden“, bedauert Norbert Smekal, Pressesprecher der Ausländerbehörde, „und das nimmt leider keine menschlichen Rücksichten.“ Genau auf diese Menschlichkeit aber hoffen Susanne und Jens Martin Gammelgaard.

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