Kurzweil mit Tiefenwirkung

■ Händels „Theodora“ glanzvoll vom Barock-Orchester

In der zweiten Szene des zweiten Aktes befindet sich Theodora im Gefängnis und erwartet ihren Tod: Sie verweigerte als Christin die Anbetung der römischen Götter. Die Geschichte spielt im dritten Jahrhundert in Antiochia. Die Musik, die Georg Friedrich Händel 1750 zu dieser Szene komponiert hat, ist von unbeschreiblicher Schönheit und Sensibilität. Die seltene Tonart Fis-Dur, der Reichtum der Modulationen, die Zerrissenheit der musikalischen Linie: Das war es, was Händel unter dramatischer Musik verstand. Dagegen stehen die groben Polter-Arien des Kaisers Valens, die zarte Zuwendung des Römers Didimius, der Theodora liebt und im Kleidertausch mit ihr sein Leben riskiert.

Immer wieder versuchen Regisseure sich am späten Händel, jetzt gab es eine bewundernswerte konzertante Aufführung in der Glocke mit dem Barockorchester Bremen (ehemals Fiori Musicali) und dem Alsfelder Vokalensemble unter der Leitung von Thomas Albert.

Über die nicht eben professionelle, leicht urige Dirigierweise Alberts muß man sich hinwegsetzen. Er hat in der Alten Musik-Szene reihenweise Kollegen, deren dirigentischer Erfolg darauf beruht, daß sie die Musik zutiefst verstehen und hervorragend geprobt haben, folglich auf augenblickliches Dompteurtum im Konzert selbst vollkommen verzichten können.

Denn hier konnte man eine Menge von wunderbarer Klangmalerei hören. Abrupt abreißende Schlüsse, generell die inhaltlichen Stimmungen der Einleitungen, die Charakteristiken der verschiedenen und zahlreichen Chor-Rollen – als Christen, als Heiden – , die expressive Unterschiedlichkeit der Arien, das alles hatte eine tiefe Wirkung und Kurzweiligkeit (die Aufführung dauerte drei Stunden!).

Dies allerdings erst im zweiten Teil. Wirkte im ersten Teil noch einiges zu zurückhaltend, zu einförmig und glatt, gelang im zweiten ein spannungsvolle Balance der schnell wechselnden psychischen Situationen der Geschichte: Die Wut des Kaisers Valens – kraftvoll Raimund Nolte – , die seelische Verletztheit und Standhaftigkeit Theodoras – zarter und nuancenreicher als Ann Monoyios ist die Wiedergabe dieser großen Partie kaum vorstellbar – , die Tapferkeit des Didimus – Bernhard Landauer als dramatischer Alt.

Auch Isolde Assenheimer, Rufus Müller und Knut Schoch setzten differenzierte Akzente. Der Stillstand der Zeit im Todesduett von Theodora und Didimus war zu den Höhepunkten zu zählen. Das Publikum dankte mit Ovationen für Theodora, das Oratorium, das Händel selbst als sein Bestes einschätzte. Ute Schalz-Laurenze