: Bildung als Privatvergnügen
■ Wer sich in Bayern weiterbilden möchte, muß in die eigene Tasche greifen. Warum es im Freistaat keine Freistellung für den Bildungsurlaub gibt, erläutert Ministerialrat Schönberg
In Bayern ist Bildungsurlaub eine Privatangelegenheit. Arbeitnehmer, die an Weiterbildungsmaßnahmen teilnehmen wollen, erhalten keine Lohnfortzahlung und müssen sich dafür Urlaub nehmen. Über die Gründe sprach die taz mit dem Ministerialrat Rainer Schönberg vom Bayerischen Staatsministerium für Unterricht, Kultur, Wissenschaft und Kunst.
taz: Bayern beschreitet in Sachen Bildungsurlaub einen Sonderweg. Wieso?
Rainer Schönberg: Wir gehen keinen Sonderweg im Hinblick auf die Bildungsfreistellung. In einem Drittel der Länder wird das genauso gehandhabt.
Welche anderen Bundesländer sind das?
In den alten Bundesländern haben auch die Arbeitnehmer in Baden-Württemberg keinen gesetzlichen Anspruch auf Bildungsurlaub. Sachsen, Thüringen, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg- Vorpommern in den neuen Ländern haben ein entsprechendes Gesetz erst gar nicht erlassen.
Was spricht dafür?
Uns liegen statistische Erhebungen vor, wonach in Ländern mit Bildungsfreistellungsgesetz die Beteiligungsquote trotz des gesetzlichen Anspruchs deutlich unter fünf Prozent liegt. Darüber hinaus würden aus unserer Sicht mit einer gesetzlichen Festschreibung der evolutionären Weiterbildungssituation deren Entwicklungsmöglichkeiten beschnitten. Außerdem würde dies personelle und finanzielle Ressourcen des Staates binden, die an anderer Stelle der Erwachsenenbildung effektiver eingesetzt werden können.
Um wieviel Geld geht es?
Im Haushalt 1997/98 sind 35,35 Millionen Mark dafür vorgesehen. Weitere zwei Millionen stehen für die Installation von Kursen zur Verfügung, die es ermöglichen, den Hauptschulabschluß nachzuholen. Insgesamt also über 37 Millionen Mark.
Was müssen Bildungsangebote leisten, die der Freistaat unterstützt?
Die Bildungsangebote müssen bestimmte Gebiete abdecken. Dazu gehören beispielsweise Gesellschaft, Politik und Wirtschaft, Technik, Naturwissenschaften, Sprachen, Kultur und vieles mehr.
Wen fördert Ihr Ministerium überhaupt?
Insgesamt werden sieben Trägerorganisationen in Bayern gefördert, so etwa der Bayerische Volkshochschulverband, die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft (DAG) und der DGB. Die Träger der Erwachsenenbildung müssen ausschließlich gemeinnützige Aufgaben verfolgen und ihre pädagogische Arbeit in unmittelbarem Kontakt zwischen Lehrer und Schüler ausüben. Sie müssen für jedermann zugänglich sein. Einrichtungen, die sich überwiegend mit einem Spezialgebiet beschäftigen, der beruflichen Aus- und Fortbildung dienen, oder Sporteinrichtungen werden nicht gefördert. Auch die Massenmedien oder Fernlehrinstitute, um noch einige Beispiele zu nennen, gehören nicht zu den Einrichtungen, die wir fördern.
Müssen angesichts einer solchen nicht gesetzlich geregelten Weiterbildungsförderung bayerische Arbeitnehmer dümmer sterben als beispielsweise ihre Kollegen aus Hessen?
Arbeitnehmer aus Bayern müssen nicht generell auf Bildungsurlaub verzichten. Die Frage des Bildungsurlaubs wird in Tarif- und Arbeitsverträgen zwischen Arbeitgebern und ihren Beschäftigten häufig berücksichtigt. Interview: Karin Fink
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