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Doctora honoris Oetker Von Mathias Bröckers

Ein neues Highlight televisionärer Hochkomik bruzzelt seit einigen Wochen im Sonntagnachmittagsprogramm. „Zu Gast bei Christiane Herzog“ heißt die Sendung, und da fangen die Merkwürdigkeiten schon an, denn die Gäste kriegen erst mal nichts serviert, sondern müssen kochen. Anders als am Herd der quirlenden Lallbacke Biolek jedoch, wo Promis ihre Lieblingsrezepte zubereiten und Gourmets aus dem Gewürzkästchen plaudern, zeichnet die Gäste der First Lady vor allem eines aus: Sie haben mit Kochen nichts am Hut. Und sie müssen es auch gar nicht, denn dafür steht in der bundespräsidialen Hofküche Herr Koch bereit, im Hauptberuf Chefkoch im Robinson-Club. Sowie natürlich Frau Christiane, gestärkt und gesteift bis in die Schürzenspitzen und gelernte Hauswirtschaftsmeisterin. Hyperadrett und von einer Beweglichkeit, als hätte sie einen Stock verschluckt. Da wird nicht rumspaziert und palavert, sondern generalstabsmäßig angebraten und die Gäste mit verantwortungsvollen Hiwi-Jobs und guten Ratschlägen betraut.

So verbrachte unlängst Harald Juhnke nahezu die gesamte Sendung damit, für Frau Christiane eine Zwiebel zu schneiden – „Am besten oben anfangen und dann herunterziehen“ – und kam am Ende zu dem Schluß: „Mit die Swiebel-Numma könnt ick ja glatt ufftreten!“ Daß er kurz darauf in den USA den Dirty Harry raushängen ließ, ist der gestrengen Maitresse de Cuisine zwar nicht anzulasten, doch gerade für professionelle Unterhalter ist ihr Ausbund an Biederkeit eine echte Herausforderung. Als Thomas Gottschalk, der zusammen mit dem Rennfahrer Schuhmacher da war, ein bißchen rumalberte, wurde er sogleich auf den Ernst der Lage verwiesen – Kochen und Kichern gehen in der herzoglichen Küche nicht zusammen.

Letzten Sonntag nun bissen zwei weitere Profi-Spaßmacher, die Kabarettisten Dieter Hildebrandt und Hanns Dieter Hüsch, bei unserer Doctora honoris Oetker auf Granit: Statt mit ihnen über Mutlangen zu diskutieren, wo ihr Gatte die Sitzstreikenden seinerzeit „austrocknen“ wollte, wurden sie gnadenlos abgewürgt („So ist er halt, mein Mann“) und zum korrekten Einrollen der Rouladen verdonnert. Hier werden keine Meinungen verbraten, politische Süppchen gerührt oder Kapriolen geschlagen – hier wird gekocht, da läßt die Küchenmatrone der Nation, chargierend zwischen herzensgut und gouvernantös, keinesfalls was anbrennen. Dabei wäre durchaus Zeit, denn eigentlich kocht, wie gesagt, Herr Koch, und man könnte ruhig mal ein bißchen plaudern. Aber eben dies gilt es zu vermeiden, der Small-talk ist Frau Christianes Sache nicht, und eben dies scheint der Grund zu sein, warum den Gästen überhaupt ein Messerchen und etwas zum Schnippeln in die Hand gedrückt wird. „Was willst du mit dem Dolche, sprich – Kartoffelschälen, versteht du mich?“ Die Verballhornung des klassischen Tyrannenmordes – hier in der Küche des Schlosses Bellevue wird sie wahr. Und wer in dieser irren Inszenierung nicht alles mitgekriegt hat, kann die Rouladendetails nachlesen „auf Seite 184“ jenes Kochbuchs, dessen Promotion und gutem Zweck der ganze Küchenzauber dient. Das ist sie, die Fernsehdemokratie des ausgehenden 20. Jahrhunderts.

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