: Floßfahrt als Protest gegen Bundesstraße
■ Heftiger Widerstand in und um Freiburg auf breiter Basis
Freiburg (taz) – Knallbunte Bäume in Freiburg, eine Floßfahrt von Südbaden nach Bonn – der Widerstand gegen die vierspurige, autobahngleiche Bundesstraße 31, die nach der Jahrtausendwende mitten durch die einstige Ökostadt Freiburg führen soll, hat am Wochenende wieder einen Höhepunkt erreicht.
Diese Woche soll es losgehen: In der Schützenallee im Herzen Freiburgs werden in den nächsten Tagen die Bäume fallen. Nach fast dreijährigen Vorarbeiten, die im Herbst in einem Kahlschlag des zentrumsnahen Konrad-Guenther-Parks gipfelten, wird damit der Baubeginn der wohl umstrittensten Fernstraße Süddeutschlands eingeleitet. Und zugleich auch eine neue Runde im Widerstand. Mit speziellen Baumfarben wurde am Samstag jenen Bäumen eine letzte Ehre zuteil, die dem Autowahn geopfert werden sollen.
Tags zuvor waren zehn UmweltschützerInnen im nahe gelegenen Breisach mit einem Floß zu einer Rheinfahrt aufgebrochen, um in zwei Wochen bei Bundesverkehrsminister Wissmann (CDU) in Bonn vorstellig zu werden.
Pech für Freiburgs Oberbürgermeister Rolf Böhme, Regierungspräsident Conrad Schroeder und alle andere Straßenlobbyisten. Hatten sie doch in unschlagbarer Naivität stets gehofft, der Widerstand werde zusammenbrechen, wenn erst einmal die Bagger anrücken. Doch das Gegenteil ist der Fall: Mit jedem Baum, der für die Transitstraße fällt, steigt die Wut in der Grünen-Hochburg weiter. Denn die Freiburger sind inzwischen mehrheitlich gegen die Asphaltpiste. Eine Telefonumfrage ergab: 62,7 Prozent lehnen die Straße strikt ab. Auch der städtische Umweltausschuß votierte Anfang Februar mehrheitlich gegen die Stadtautobahn.
Und auch regionale Unternehmen machen zunehmend gegen die Straße Front. „Ökonomisch kontraproduktiv“ sei sie, sagt der Kirchzartener Unternehmensberater Ulrich Martin Drescher, der in diesen Tagen eine Unternehmerinitiative gegen die Straße ins Leben rief. Denn sie bringe nur Arbeitsplätze in Spanien und Tschechien. Die Industrie- und Handelskammer Südlicher Oberrhein, die ohne Einwilligung ihrer Mitglieder vor einigen Wochen selbstgefällig in Zeitungsanzeigen die Straße propagiert hatte, steht seitdem massiv unter Druck: Mehr als 5.000 Mitglieder im Kammerbezirk Freiburg weigern sich nach Informationen des ökologischen Wirtschaftsverbandes UnternehmensGrün bereits, ihre Beiträge zu bezahlen.
Die Bauherren in Bonn und Stuttgart wollen unterdessen nur noch eines: Fakten schaffen. Daß noch mehrere Gerichtsverfahren gegen die Planfeststellung anstehen, ignorieren sie. Daß der Widerstand nur mit massivem Polizeieinsatz zu brechen sein wird, nehmen sie in Kauf – im Herbst war das Baumhüttendorf mit Bundesgrenzschutz und Sondereinsatzkommando sowie Hunderten von Polizisten geräumt worden. Dennoch wissen die Gegner, auch wenn der Bau jetzt losgeht, stehen die Chancen nicht schlecht, Freiburg doch noch vor dem Asphaltmonster zu bewahren. Denn bis 2001, wenn die Trasse fertig sein soll, kann noch viel passieren. Die Gerichte, ein neuer Oberbürgermeister, knappe Gelder und heftiger Widerstand, der die Baukosten in astronomische Höhen schnellen lassen könnte: Chancen gibt es noch viele. Bernward Janzing
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