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Geld, Kunst und andere Sorgen

■ Drei Hamburger in Berlin: Heidengeld, Fiction & Reality und Katharina & Witt auf der Berlinale

Das Schöne an einem Filmfestival wie der Berlinale ist, daß einem dort immer wieder die Möglichkeiten des Kinos direkt vor Augen geführt werden. So banal es ist, so spannend bleibt es z.B. zu beobachten, wie sich jeder Film, spätesten, sobald er auf der Leinwand erscheint, der Macht von Regisseuren oder Schauspielern entzieht. Jeder im Saal hat sich „seinen“ Film auf eine Weise angeeignet, und wenn am Ende der Vorstellung die Verantwortlichen vor das Publikum treten und erklären, was sie womit gewollt haben, kommen damit lediglich ein paar andere Meinungen hinzu.

Heidengeld von Dagmar Kamlah und Katharina & Witt, Fiction & Reality von Mariola Brillowska und Charles Kissing sind dafür gute Beispiele, zumal sowohl Kamlah als auch Brillowska und Kissing im Nachhinein dezidiert erklärten, worum es in ihren Filmen gehen sollte. Beide Filme wurden mit Mitteln der Hamburger Filmförderung hergestellt und liefen als Erstlingswerke im Rahmen des Internationalen Forums des jungen Films.

Dimanche (Michaela Ehinger), Penny (Ines Blank), Jo (René Dchak), Urban (Lukas Scheja) und Georg (Ralf Knicker) leben in Frankfurt und nehmen auf unterschiedliche Weisen Anteil am alltäglichen Fluß der Waren und des Geldes. Heidengeld zeigt mit ineinander verwobenen Episoden, wie sich jede und jeder mit dem System des Warenverkehrs arrangiert. Dimanche als erfolgreiche junge Frau, die sich zurückzieht, um ihre Nahrung zu studieren, Penny, die ohne Geld beobachtend durch die Straßen zieht, ihr Bruder Georg, der als Fahrradkurier am deutlichsten für den Geldaustausch lebt, der Bilderbuch-Yuppie Urban und der Student Jo, der sich dem Arbeitsleben verweigert und lieber mit der Millionärin Solange (Olga Strub) die historischen Hintergründe von Geld und Reichtum erforscht.

Mit Hilfe zahlreicher Off-Texte von Benjamin, Foucault oder Griaule illustriert Dagmar Kamlah die Beziehung des Menschen zum Geld: „Die philosophische Idee war zuerst da“, sagt sie, „dann wird es zur Geschichte.“ Dabei will Kamlah „keine konventionelle Kinoästhetik“, doch gerade weil sich Heidengeld nicht radikal genug von tradierten Filmbildern lösen kann, stehen Figuren, Geschichten und Zitate einander fremd gegenüber. So wird die „Fragmentierung“, die Dagmar Kamlah als kulturelles Phänomen thematisieren will, selbst zum Problem ihres Films.

Katharina und Witt, die Titelhelden des Animationsfilms Katharina & Witt, Fiction & Reality, haben andere Sorgen. Sie sind zwei Interpol-Agenten auf der Suche nach den gestohlenen Werken des Bildhauers F.C. Hansel. Mit ihnen erleben wir sexuelle Ausschweifungen, Morde und die makabre Wiederauferstehung der zuvor verstorbenen Bildenden Kunst. Hier wimmelt es von sinnigen Anspielungen, denn auch Mariola Brillowska und Charles Kissing haben ein Anliegen: Für die Hamburger Künstlerin ist ihr Film „eine Abrechnung mit der Kunstszene“, für den Künstler Kissing eine wütende Reaktion darauf, „daß sich einige Professoren an den Kunsthochschulen nicht mit der Malerei beschäftigen“. Kissing faßt zusammen: „Die Malerei wird von der Bildhauerei unterdrückt – das wollten wir aufzeigen.“

Dieses Anliegen nimmt sich so hanebüchen aus, daß dahinter eigentlich nur eine ironische Verhöhnung der Sinnfrage vermutet werden kann. Doch auch wenn hier Ironie als universelles Feigenblatt gewählt sein sollte, so spricht Katharina & Witt, Fiction & Reality doch eine verhältnismäßig einfache Sprache. Mit überdeutlichen Anleihen u.a. bei Boris Vian, dem das nicht gerade zur Ehre gereicht, werden wieder einmal ausgeleierte Sex & Crime-Muster ins absurd Phantastische überhöht, um darüber eine wie auch immer gemeinte Kritik am Kunstbetrieb zu üben.

Jan Distelmeyer

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