Stalin, Strehler etc.: Gerüchte, Gerüchte, Gerüchte
■ Thema der haltlosen Spekulationen: Was am Berliner Ensemble los ist
Es gibt zwar Gerüchte ohne Theater, aber bekanntlich niemals Theater ohne Gerüchte. Hier ein paar brandneue über das von uns allen so geliebte Berliner Ensemble, geleitet von der tiefgrauen Eminenz Stephan Suschke und einigen anderen Kollegen aus dem gleichen Teil der Farbenskala.
Erstens: Das Dream Team aus Chef Suschke & Schreibfex Stefan Kolditz („Ich war vielleicht sogar selbst Eva Braun“) wird demnächst eine zweite Inszenierung anpacken. Nach der groß geglückten Eva-Braun-Show, so soll Suschke angekündigt haben, ließ sich ein zweites Projekt mit der bundesweit unvermeidlichen Schauspielerin Corinna Harfouch einfach nicht vermeiden.
Thema: Stalin war in Wirklichkeit schwul und hat täglich seinen persönlichen Sekretär geschändet. Frau Harfouch wird Stalin und den Sekretär spielen; die Schändungen werden auf der Hinterbühne stattfinden – dort allerdings in castorfscher Manier. Günther Gracks Premierenkritik im Tagesspiegel wird darauf hinauslaufen, daß das Stück nicht recht verständlich sei.
Zweitens: Regisseur Werner Schroeter bringt, beflügelt von der Arbeit an Monsieur Verdoux, bald schon eine neue Inszenierung heraus. Aus Überresten alter Heiner-Müller-Arbeiten wird Schroeter, so war zu hören, einen Revue-Abend inszenieren. Nackte Mädels, sonderbare Musik, Wuttke wieder dämonisch. Premiere übermorgen.
Drittens: Regisseur Giorgio Strehler, Ex-Piccolo Teatro di Milano, wird nun doch neuer Intendant am Berliner Ensemble. Grund: Bei Verhandlungen über eine Brecht-Inszenierung am BE war der italienische Altmeister derart beeindruckt vom professionellen Stil des Leitungsteams, daß er sich eine gedeihliche Theaterarbeit ohne Suschke und Freunde nicht mehr vorstellen mag. Gerüchte, daß Suschke und Freunde demnächst nach Milano verklappt werden, konnte aber niemand bestätigen wollen.
Viertens: Die Verwalterin der Rechte am Werk von Bertolt Brecht, Frau Barbara Brecht- Schall, soll sich nun doch entschlossen haben, dem Berliner Ensemble die Aufführungsrechte für alle großen Brecht- Stücke zu geben. Angeblich soll Frau Brecht-Schall zur Begründung ihres überraschenden Schritts geäußert haben: Das ist der einfachste und schnellste Weg, das Problem Berliner Ensemble zu lösen. Wenn ich erlaube, daß alle Stücke meines Vaters dort gespielt und von der jetzigen Leitung inszeniert werden, ist das Haus spätestens 1999 geschlossen und kann mit Theaterkünstlern neu besiedelt werden. Für Nachfragen war Frau Brecht-Schall leider nicht zu erreichen, hieß es gestern.
Fünftes und letztes Gerücht: Kultursenator Radummski hat mit dem Geist von Gustaf Gründgens im Restaurant Borchardts zu Abend gegessen (Wachtel-Arsch in Aspik). Radummski habe dem Gründgens- Gespenst die General-General- General-Intendanz für sämtliche, sämtliche, sämtliche Berliner Kultureinrichtungen angeboten, hieß es. Gründgens soll dem Radummski im Gegenzug offeriert haben, neuer Sitzpförtner an der Charlottenburger Vagantenbühne zu werden.
Gerüchte, Gerüchte, Gerüchte. Klaus Nothnagel
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