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Die Vornamen der Lieder

Zwei Geigen, ein Schlagzeug: Das Holz, die Band mit der obskursten Instrumentierung der Stadt, hat die zweite CD eingespielt  ■ Von Thomas Winkler

Wenn Kati Gramß jemandem zum ersten Mal von ihrer Band erzählt, ist die Reaktion oft sehr eindeutig. „Zwei Geigen, Schlagzeug, kein Gesang – die meisten sagen ,äh‘, aber dann hören sie es“, und in dem Moment strahlt auch das Gesicht der Violinistin einen Augenblick lang, als wolle sie den Effekt bildlich illustrieren, „und finden es gut.“

Das Holz, das Trio mit der obskursten Instrumentierung der Stadt, haben gerade ihre zweite Platte, „Velouria“, herausgebracht. Voll mit „Popmusik übersetzt in eine andere Besetzung“, wie Christian „Komo“ Komorowski es verstanden haben will. Am deutlichsten wird das bei der altgedienten Schmalzstulle „Eloise“. Auch da müssen die zwei Geigen reichen. Aber nicht nur der Song, sondern auch sein Titel paßte ins Konzept von Das Holz, die seit ihrer ersten Platte allen ihren Kompositionen Vornamen geben. Da gibt es „Max“ und „Ariel“, „Yasemin“ und „Kurt“ und „Helga“.

„Manchmal paßt der Name zur Musik“, erzählt Komorowski, „manchmal denkt man an jemanden.“ Ein Song heißt „Sebastian“ nach Sebastian Büttrich, dem Gitarristen der inzwischen verblichenen Berliner Gitarrenband 18th Dye. Ein anderer „Kurt“: „Unser Grunge-Song, aber das erkennt natürlich niemand.“ Sind eben nur zwei Geigen und ein Schlagzeug.

Ein Stück heißt „Sven“, weil es dem Produzenten der Platte besonders gut gefallen hat. Der Produzent heißt Sven Regener. Aber der Sänger von Element of Crime hat die Geschichte von Das Holz nicht nur dadurch beeinflußt. In gewisser Weise ist er sogar für den Namen verantwortlich. Entstanden war die Besetzung „durch Zufall“, als Komorowski und die erste Geigerin Ania Clarissa Gürke zusammen Hintergrundmusik für eine TV-Sendung machten. Mit Trommler Hermann Beesten zum Trio gewachsen, trat man des öfteren im Vorprogramm von befreundeten Bands auf. „Aber ich habe damals nie daran gedacht“, sagt Komorowski, „daß da was draus wird.“

Regener sah sie und engagierte sie als Vorgruppe für eine Tour von Element of Crime. Nun brauchte man einen Namen: „Ud“ ist eine türkische Laute, wörtlich übersetzt heißt es „das Holz“. Komorowski wollte das wiederum ins Spanische übersetzen, aber Regener sagte: „So ein Scheiß kommt mir nicht aufs Plakat“, und fortan hießen sie Das Holz. Bei dieser Tour und Auftritten als Headliner in kleinen Berliner Clubs merkten sie, „daß es doch nicht so absurd ist, wie wir auch zuerst dachten. Es hat sich einfach gezeigt, daß auch Geigen knalle laut sein können, daß auch so eine Besetzung gut nach vorn gehen kann.“

Ein anderer Song heißt „Iris“. Den Namen lieh „eine Bekannte, die unsere Musik immer langweilig fand“. Iris ist immer noch nicht überzeugt. Aber Iris wird immer einsamer. Kein Erfolg über Nacht suchte Das Holz heim, sondern ein stetes Wachsen, das einherging mit dem sich erst langsam steigernden Zutrauen der Band zu den eigenen Möglichkeiten. Anfang 1995 verkauften sie, während sie mit Deine Lakaien unterwegs waren, auf der Tour bei zwölf Terminen 600 Plakate, weil die dann doch geplante erste CD noch nicht gepreßt war. „Lange haben wir überhaupt nicht daran gedacht, eine Platte zu machen“, sagt Christian Komorowski.

Nachdem das Debüt dann doch erschienen war, verließ Gürke das Holz. Persönliche Differenzen waren der Grund, der Zeitpunkt ziemlich ungünstig, weil nun zwar eine Platte da war, aber keine Band mehr, die diese mit Auftritten hätte bewerben können. Die Suche nach Ersatz gestaltete sich schwieriger als gedacht. „Wir wollten wieder eine Geigerin, keine reine Jungsband“, so Komorowski, „eine Frau nimmt das Konkurrenzverhalten weg.“

Schließlich stieß er auf eine Anzeige, die er schon ein Jahr zuvor ausgeschnitten hatte, und Gramß war gefunden. „Frauen funktionieren musikalisch nicht so perfekt wie Männer“, sagt Komorowski, und Gramß bricht in schallendes Gelächter aus. „Ich habe schon einen beruhigenden Einfluß auf die beiden“, glaubt sie. Außerdem ist sie „Diplom-Geigerin“, wie Komorowski freudestrahlend verkündet, und nun ist es an ihm, loszugackern. „Ich wußte zwar lange nicht, was ich wollte“, erzählt sie über ihre klassische Ausbildung, „aber ganz bestimmt nicht in ein Orchester.“

Als Jazz-Fan wollte sie immer improvisieren. „Aber ich traute mich nicht. Man hat die Klassik in den Fingern und muß es erst lernen.“ So erfüllen sich dann Träume, auch wenn noch niemand von Das Holz leben kann: Gramß bezieht sogar Sozialhilfe. Komorowski genießt es, endlich einmal im Mittelpunkt zu stehen. Bei Deine Lakaien verdient er sein Geld, da ist er der Geiger, der bei Aufnahmen und Touren sein Teil beisteuert, zwar inzwischen etwas wie ein festes Mitglied, aber dann doch ohne echtes Mitspracherecht.

Früher bei Love Sister Hope war's richtig schlimm: „Die anderen hat die Geige doch nur genervt.“ Deshalb steht es gar nicht zur Debatte, eine Stimme zu engagieren, auch wenn es schon einige wenige Auftritte mit SängerInnen gab und Regener unlängst sogar vorschlug, Udo Lindenberg oder Herbert Grönemeyer zu fragen, ob sie mal singen wollen. „Der Spaß ohne Sänger ist viel größer, wir spielen so viel mehr untereinander.“

Noch ein anderes Stück heißt „Otto“. „War eine Idee von Hermann“, und wieder bricht Heiterheit aus. Der Trommler Beesten und Komorowski kennen sich aus der gemeinsamen Zeit bei Love Sister Hope. „Der war komisch damals“, erzählt Komorowski und will wohl sagen, daß sich einiges nicht geändert hat, „er hatte ein durchsichtiges Schlagzeug und knallenge Jeans an, und wir dachten, den nehmen wir halt und suchen uns dann was Besseres.“ Doch schnell stellte sich der gelernte Automechaniker als „goldene Wahl“ heraus, als schon beim Weg zum ersten Auftritt der Tourbus streikte: „Ohne Hermann wären wir erst gar nicht angekommen.“ Und der Song „Otto“ heißt so, weil der Rhythmus Beesten entfernt an die Zündreihenfolge eines Viertaktmotors erinnerte.

Angst, daß sich das Konzept totlaufen, der Gimmickeffekt verfliegen könnte, haben sie nicht. Komorowski kann sich „auch vorstellen, mal mit Loops und Samples zu arbeiten“. Schon für „Velouria“ wollte er eigentlich mehr Overdubs benutzen, aber Produzent Regener war dagegen: „Sven hat immer gesagt, das ist Scheiße.“

Ob nun das gerade modische Mittelalter oder der Erfolg solcher Kapellen wie Inchtaboktables oder Subway to Sally, die allgemeine Rückkehr der Geige nutzt auch Das Holz. Beim Publikum sinken die Berührungsängste, und Das Holz hat zumindest musikalisch den nötigen Hang zum Pop. Vielleicht profitieren sie sogar von den peinlichen Modernisierungsversuchen der großen Klassik- Konzerne, auch wenn das geigehaltende Model Vanessa Mae eines ihrer liebsten Haßobjekte ist: „Die kann nicht mal richtig spielen.“

Vielleicht auch deshalb ist man nicht sonderlich glücklich mit den eigenen, recht hüllenlos geratenen Promotionfotos: „Der Fotograf hat irgendwann gesagt, zieht doch mal die Socken aus.“ Ansonsten mögen die Gemeinsamkeiten eher dürftig sein, nichtsdestotrotz aber „kommt uns dieser Trend sicher zugute“. Vielleicht wird „Helga“ ja zum Hit.

Das Holz: „Velouria“ (Chrom Records/EFA)

Im März auf Tour mit Element of Crime

Eigene Konzerttermine: 14.4. Waldschloß Potsdam, 19.4. Café Swing

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