: Die Überflieger
■ Mit Turkmenistan Airlines kollektiv ins Asyl
Europa macht seine Außengrenzen dicht. Ob in Italien, in Spanien oder an der Ostgrenze Deutschlands – überall stehen hochgerüstete Grenztruppen, um die „große Wanderung“ zu stoppen. High-Tech gegen Armutsflüchtlinge – es ist ein ungleicher Kampf. Allerdings kein aussichtsloser, wie sich nun in den Niederlanden zeigte.
173 Tamilen aus Sri Lanka haben dort politisches Asyl beantragt, nachdem sie in einem Flugzeug in Turkmenistan ohne Starterlaubnis gestartet und in Amsterdam ohne Landeerlaubnis gelandet waren. Das gesamteuropäische Abschottungssystem wurde schlicht überflogen. Ein gelungener Coup. „Auf so einen Fall waren wir nicht vorbereitet“, stammelte denn auch die Sprecherin des Reichsfahrdienstes entsetzt. Dieser ist für die Erteilung von Flugerlaubnissen zuständig. Schon allein wegen dieses verwegenen Plots, um dessen Verfilmung sich die Regisseure reißen werden, sollten die holländischen Behörden jenen potentiellen Förderern der europäischen Filmkultur Asyl gewähren.
Das Beispiel Amsterdam macht Hoffnung. „In Zukunft können politische Flüchtlinge nur noch mit dem Fallschirm abspringen“, stöhnten Menschenrechtsgruppen, als das Asylrecht in Deutschland faktisch abgeschafft wurde. Im wirklichen Leben müssen allzu viele Flüchtlinge den Versuch, illegal in Deutschland einzureisen, teuer bezahlen. Sie ertrinken in Oder und Neiße, holen sich Erfrierungen oder ersticken im Lastwagen eines Schleppers.
Die in Amsterdam heil Gelandeten haben die einzig richtige Schlußfolgerung gezogen: Gegen raffinierte Grenzüberwachungssysteme hilft nur der Einsatz gleichwertiger Technologie. Darüber kann die nun mit Sicherheit folgende Empörung über die immer frecheren Methoden der „Menschenschmuggler“ nicht hinwegtäuschen. Es liegt nun mal in der Logik von Sicherungssystemen (gleich, ob es sich um Türschlösser oder Landesgrenzen handelt), daß mit deren Verfeinerung sich auch die Methoden, sie außer Kraft zu setzen, weiterentwickeln. Eine Erkenntnis aus Amsterdam lautet deshalb: Europa kann seine Grenztruppen mit dem aggressivsten Personal und den sensibelsten Infrarotkameras ausstatten, eine Politik der Bekämpfung der Fluchtursachen wird dies nicht ersetzen. Ute Scheub
Bericht Seite 8
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