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Familien „verinseln“, Alte sind zu jung

■ Neue Gesellschaft für Psychologie tagt in Bremen / Ein Schwerpunkt: Unternehmenskultur

Wenn die Welt nicht immer schlechter würde – wo blieben dann die Psychologen? Bis Sonntag noch tagt in der Uni die Neue Gesellschaft für Psychologie (NGfP) unter dem durchaus umfassenden Titel „Veränderte Lebensformen in Kindheit, Jugend und Erwachsenenalter“, und siehe: Wo man hinblickt, blickt Jammer zurück.

Allein die Kindheit: spontanes Spielen unmöglich, die Kleinen stets unter Aufsicht, Fünfjährige haben einen Terminkalender und musikalische Früherziehung, und es reicht nicht, daß die Kleinen tüchtig sind, sie müssen auch noch kreativ und glücklich sein. „Die Kindheit verlängert sich. Die Abhängigkeit verlängert sich. Die Familien verinseln,“ sprach die Bremer Organisationspsychologin Birgit Volmerg gestern auf einer Pressekonferenz.

Die Kindheit (Verinselungskrise, narzißtische Besetzung der Kleinen durch verkorkste Eltern); die Jugend (Identität!); das Alter (welches krankhaft jung bleiben muß); die Firmen (wo saumäßig sozialisierte Mitarbeiter für teures Geld nachsozialisiert werden müssen, um teamfähig zu werden) – überall wartet viel Arbeit auf unsere Psychologen, und über all das sprechen an diesem Wochenende bis zu 250 Teilnehmer des Bremer Kongresses.

Vom Kongreß erhoffen sie sich „eine stärkere Auseinandersetzung der beruflichen Praxis und Rolle von Psychologinnen und Psychologen“, sagen die Organisatoren Birgit Volmerg und Thomas Leithäuser, Bremer Sozialpsychologe. Eine nützlich Diskussion angesichts der aktuellen Psychotherapeutenquälerei. Einer der Schwerpunkte ist diesmal die Psychologie im Unternehmen. Unerläßliche Schlüsselqualifikationen der Mitarbeiter werden heute offenbar in den Familien nicht mehr gelernt: Kommunikation, Reflexion, Planungsfähigkeit. Man spricht über Unternehmenskultur, die Professorin Volmerg sogar von einem „Paradigmenwechsel“. Es liegt auf der Hand, daß Psychologen hermüssen, zum Beispiel, um die innerbetriebliche Kommunikation zu verbessern. Denn was ist Mobbing anderes als die Verschwendung von Ressourcen? Oder das Thema Krankfeiern: Die Gewerkschaften versprechen eine Halbierung des Krankseins, Psychologen könnten helfen.

Staunt jemand über die neue Interessensidentität zwischen (Bremer) Forschung und Kapital? Prof. Leithäuser weiß Rat: Genau, was die rote Uni mal ausmachte – Projektstudium, Praxisbezug, Interdisziplinarität – ist heute bei Mercedes gefragt. Die rote Kaderschmiede: ein Vorreiter! BuS

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