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Träume vor dem Traum

■ MOKS-Theater feierte mit einer Deutschen Erstaufführung Geburtstag

Herrlich war's! Und eng auf den Zuschauerbänken! Weil es 20 Jahre MOKS zu feiern gab, saß auch Theaterliebhaber und Bürgermeister Henning Scherf dabei. Er war der letzte in der Schlange vor der Kasse, gleich nach ihm hieß es: „Ausverkauft!“ Das MOKS hat sich doch bestimmt ein ganz besonderes Stück ausgesucht, zum eigenen Jubiläum? Und so vielleicht übersteigerte Erwartungen geweckt? So oder so: Man gab die deutsche Erstaufführung von Toon Tellegens „Mijnherr Bach“ alias „Mister Bach, Mister Bach“.

Die Handlung des Stücks ist schnell erzählt. Es sind die Variationen eines kleinen Problems, denn: Sebastian kann nicht schlafen. Ähnliche Schicksale sind schon einmal Geschichte geworden. Denn Bachs berühmte Goldberg-Variationen sind entstanden, so heißt es, weil ein gewisser Graf Keyserlingk nicht schlafen konnte. Und eben diese Goldberg-Stücke begleiten in Tellegens Stück die Einschlafprobleme Sebastians. Der ruft in seiner Not Amalia zu Hilfe, und sie schreibt ihm einen Brief: „Sebastian, ich komm. Amalia.“

Amalia (überzeugend: Prisca Maier) bietet ihm schließlich unzählige Variationen des Einschlafrituals an. Sie ist eine Meisterin in ihrem Fach. Bei ihr ist Schafe zählen out: Stattdessen zeigt sie ihm hundert Hüte oder kommt als Lieblingstorte mit Schoko-Ellbogen, Weingummi-Bein und Lakritz-Fesseln.

Aber Sebastian, gespielt von Klaus Schumacher, kann immer noch nicht schlafen. Kein Wunder, denn jetzt ist er verliebt. Als ihm Amalia auch noch in der Variante des Todes begegnet, muß unbedingt zärtlicher Trost folgen: Auf ihrem Schoß kann Sebastian es nun doch: schlafen. Doch das währt nicht lange. Denn das Theater stellt schon wieder Fragen – darunter sogar komische. Nämlich: Wie paßt ein Dieb unter das Bett? Und wie wird man ihn wieder los? Das sind aber auch große Sorgen. Kindersorgen!

Die Musikgeschichte will, daß der Graf Keyserlingk seinen Schlaf fand und J.S. Bach mit 100 Louis d'Or im goldenen Becher belohnte. Weil Bach-Schüler Johann Gottlieb Goldberg so virtuos spielte, was Bach für Solo-Klavier komponierte. Goldberg, Gold, Gould: Cornelius Nieden am Klavier spielte die Variationen ebenfalls sehr schön. So wie es die Idee verlangte, wurde seine Musik zum Teil des Spiels. Das war vom Stück her und in der Bremer Inszenierung gut gelungen.

Nur die Rolle des Sebastian gefiel nicht richtig: Schlechtgelaunt und alterslos. Kindisch muß er sein, damit sich das junge Publikum ab sechs in ihm wiederfinden und zugleich sich selbst und ihn verspotten kann. Dieser Sebastian hier, der lachte ja nie – er zog immer nur die Brauen dunkel zusammen. Ein paar Variationen mehr, Mijnheer, wären schön gewesen!

Die Bereitschaft der Rezensentin zur Kritik war aber auch außerordentlich groß. Und vielleicht ging es den vielen anderen erwachsenen Zuschauern genauso. So ein Jubiläumspublikum ist für das Premierenensemble bestimmt ein belastendes Moment. Denn da saßen fast ausnahmslos geladene Gäste im Brauhaus, die in erster Linie Lust zum feiern hatten und nur in zweiter Lust auf ein Bühnenspiel für Kinder.

Was aber auch zu sehen war: Herrlich war's für die jungen Zuschauer unter den vielen „alten“! Regisseurin Franziska Steiof, zu Gast aus Kiel, hat mit der Bühnenfassung von Tellegens Lesebuch dem MOKS-Repertoire ein tolles Stück hinzugefügt. Katrin Patzak

Weitere Aufführungen: am heutigen Montag, morgen sowie am 27.2. und 28.2. jeweils 10.30 Uhr

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