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Kein Sparwahn bis zum Suchttod

■ Drogentherapeuten warnen vor weiteren Einschnitten bei Rehamaßnahmen, befürworten aber deren Flexibilisierung

Bonn (AP/taz) – Die Verbände der Suchtkrankenhilfe in Deutschland haben dringend vor weiteren Einschnitten bei der Behandlung von Abhängigkeitserkrankungen gewarnt. Allein dieses Jahr würden die Rentenversicherungsträger in diesem Bereich zwischen 15 und 35 Prozent einsparen, sagte der Geschäftsführer des Fachverbandes Sucht, Volker Weissinger, gestern in Bonn. Patienten und Beschäftigte von Therapieeinrichtungen seien verunsichert. Einsparungen von 20 Prozent würden bedeuten, daß von derzeit rund 5.000 Therapieeinrichtungen für Drogenabhängige 1.000 Behandlungsplätze und von etwa 12.000 Therapieplätzen für Alkohol- und Medikamentenabhängige rund 2.400 Behandlungsplätze gefährdet seien.

Der Geschäftsführer der Deutschen Hauptstelle gegen die Suchtgefahren, Rolf Hüllinghorst, verwies darauf, daß die Behandlung von Suchtkranken erfolgreicher sei als allgemein angenommen. Nur ein Prozent von ihnen werde jedoch in einer Fachklinik behandelt: „Die Suchtkranken müssen stärker aufgefordert werden, Hilfe in Anspruch zu nehmen.“ Hüllinghorst appellierte an die Ärzte, stärker auf Suchtprobleme ihrer Patienten zu achten. Auch unter den Spitalpatienten gebe es eine Suchtdunkelziffer – hier müsse präventiv gearbeitet werden.

Weissinger appellierte an die Politiker, den bisher einhellig formulierten Grundsatz auch einzulösen, möglichst viele Menschen durch Präventions- und Therapieangebote von einer Suchtmittelabhängigkeit fernzuhalten. Die medizinische Versorgung der Bevölkerung durch Rehamaßnahmen vor allem bei Suchtkranken müsse weiter sichergestellt werden. Die Versicherungsträger warnte Weissinger davor, die Bewilligungskriterien für eine Behandlung weiter zu verschärfen. Einer Flexibilisierung der Behandlung – etwa einem einfacheren Übergang zwischen ambulanter, teilstationärer und stationärer Therapie – stimme der Verband zu, nicht jedoch starren Beschränkungen der Behandlungsdauer.

Schützenhilfe für eine liberale Drogenpolitik kam gestern aus einem Zwergstaat. Fürst Hans Adam II. von Liechtenstein plädierte für eine Drogenfreigabe, um nicht weiter der Mafia das Feld zu überlassen: „Die bisherige Suchtpolitik ist gescheitert.“

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