: Ohne „Tüsch“und „Gemüsch“auf Sendung
■ Richtiges Sprechen muß gelernt sein – private und staatliche Schulen helfen dabei
Das Gros im Chor der „Stimmen“wird immer noch von Berufsschauspielern gestellt. Einer der wenigen, der als Nur-Sprecher in Hamburg nicht nur gut über die Runden kommt, sondern auch seinen Spaß an der Arbeit hat, ist Thomas Stein. Der nicht eben hünenhafte Mittdreißiger ist mit einer Powerstimme begnadet, mit der er ebenso gut ein Rockvideo promoten wie eine Oscar-Verleihung bei Premiere kommentieren kann. Der Arbeitgeber bei einem Studentenjob fand seine Stimme für ein Low Budget Video gerade noch billig genug, und seitdem ist Stein tagtäglich unterwegs. „Gesprochen wird, was auf den Tisch kommt“, erzählt er am Funktelefon, unterwegs zwischen zwei Engagements, um gleich hinzuzufügen: „Bei Rüstungsprodukten, Parteien und Behörden ist allerdings Schluß.“
Nur mit dem Blick auf den Honorarscheck will Stein seine Arbeit nicht betreiben. Voraussetzung für eine Sprecherlaufbahn seien eine eher musische Veranlagung und Freude an der sprachlichen Vermittlung von Inhalten. „Und“, so Steins Erfahrung nach dem eher ungeplanten Einstieg, „man sollte die Anforderungen an Disziplin und Handwerklichkeit nicht unterschätzen.“Also begab er sich in die Lehre bei einem Hamburger Sprecherzieher, um „Tüsch und Gemüsch“per richtiger Zungenhaltung wieder zu den angestammten „Is“zu verhelfen. Der Nachweis einer Sprechausbildung ist auch beim NDR Mindestvoraussetzung für einen Mikrofontauglichkeitstest. Torsten Statz vom Besetzungsbüro steht den meisten freien Sprech- und Schauspielschulen allerdings skeptisch gegenüber: „Den Unterschied zu staatlichen Schulen hört man sofort.“
Angetreten, dieses Urteil zu ändern, ist Dieter Bartels, der seit November 1995 eine „Vollausbildung für Berufssprecher“anbietet. In einem zweijährigen Studiengang a drei mal drei Wochenstunden steht im zweiten Jahr dabei auch „Fea–ture-Sprechen“auf dem Lehrplan. Die Kursgebühr beträgt bei Bartels 400 Mark pro Monat. Als zeitlich begrenzte Alternative käme für Einsteigewillige auch ein zehnwöchiger Basiskurs mit zwei Wochenstunden bei der Berufsfachschule für Schauspiel „O 33“für insgesamt 240 Mark in Frage. An staatlichen Schauspielschulen dagegen, wie übrigens auch für die Zentrale Bühnenvermittlung (ZBV) des Arbeitsamtes, gilt mediengerechtes Sprechen immer noch nicht als Spezialistenberuf mit überaus eigenständigen Anforderungen.
„Nicht zu lesen, sondern einen Text sinnhaft zu sprechen“, formuliert Alfred Rücker, der als Sprech–er–zie–her schon manch sprachverkrampftem Redakteur beigebracht hat, worauf es ankommt, die Aufgabe des Sprechers. „Die Identität des Textes in sich selbst zu finden und wiedergeben zu können“, nennt es Peter Buchholz. Als einem der Hauptsprecher für Spiegel-TV steht dem 46jährigen mittlerweile ein ganzes Register von Sprechhaltungen zur Verfügung: von erzählerisch über ironisch bis distanziert oder seriös. „Dem Nachwuchs fehlt erfahrungsbedingt diese Bandbreite“, sagt Achim Schülke. „Die Autorität einer gelebten Stimme läßt sich nicht imitieren.“
Heinz-Günter Hollein
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen