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Krach um Karstadtlärm

■ HändlerInnen in der Lloyd–Passage platzt der Kragen / Bremer Gewerbeaufsicht beendete gestern vorerst den gröbsten Lärm

Das Geschirr klappert in den Verkaufsregalen, die Wolle hüpft vom Tresen auf den Boden – und mit Kasse und Pralinenwaage ist schon gar nicht mehr zu rechnen, denn deren rote Leuchtziffern schwanken zwischen nichtssagenden Strichen und wilden Zahlenkombinationen. Das Miene von Ilse Bethmann, Süßwaren- und Souvenirhändlerin in der Lloyd-Passage, sagt dafür umso mehr. Die Mitfünfzigerin ist seit Wochen mit den Nerven zu Fuß – „aber so schlimm wie heute war's noch nie.“Nein, nicht das mit den Nerven – „der Lärm draußen auf der Karstadt-Großbaustelle.“Und damit zugleich der Umsatzeinbruch in ihrem „Kramerstübchen“. Denn bei den KundInnen in der Lloyd-Passage stellten sich am Freitag unversehens Fluchtreflexe ein, während Erdbebenerprobte sich unwillkürlich nach einsturzsicheren Türrahmen um sahen. Andere wichen der Lärmquelle hinter den großen Bauzäunen und Plastikplanen gleich großräumig aus.

An dieser für Kaufleute verhängnisvollen Entwicklung ändern auch die von Karstadt aufgehängten Plakate Der Verkauf geht weiter nichts. Wie im Kramerstübchen ist auch in den anderen kleinen Läden der EinzelhändlerInnen und GastronomInnen an der Lloyd-Passage die Stimmung am Nullpunkt. „Sie glauben doch nicht, daß noch gerne jemand zur Kosmetik-Behandlung kommt“, sagt die Inhaberin von Yves-Rocher, Tonca Unäl ein wenig höhnisch. „Und dann die Putzerei. Mindestens alle zwei Tage die Fenster.“Ihr stinkt's so sehr, daß sie manchmal stundenweise aus dem eigenen Laden flüchtet. Der Belegschaft vom Beck's Haus wird ein sonniger Sommer dieses Mal egal sein. Gleiches gilt im benachbarten „September“. Die Zeiten, wo man im Bremer zu Recht unter „Draußen-Gaststätten“aufgeführt wurde, sind für dieses Jahr vorbei – dank der Großbaustelle des Karstadt-Sporthauses wird es wohl keine Konzession für draußen geben. Ohnehin heißt es: „Wer will da schon sitzen?“

Doch Not schweißt zusammen. Eine Reihe AnliegerInnen haben sich bereits per gemeinsamem Anwalt verbündet – auch wegen Mietminderung gegen den eigenen Vermieter. Andere gehen individuell vor, aber alle sind irgendwie gegen Karstadt. Karstadt-Chef Günter Kirsch weiß das. Bei ihm häufen sich die Klagebriefe. Während er selbst betont, daß sich alle Baumaßnahmen „im gesetzlichen Korridor bewegen“setzt er zugleich auf „Abwarten“. In zwei Wochen sei das Schlimmste vorbei. Und ohnehin könnten Umsatzeinbußen erst nach einer gewissen Zeit festgestellt und kulant geregelt werden.

Doch den LadenbesitzerInnen in der Passage geht sprichwörtlich die Puste aus. Ilse Bethmann ist auf dem Staub schon ausgerutscht und hat sich eine Prellung zugezogen. Im Porzellanladen nebenan glaubt auch Inhaberin Claudia Hillger, „zu lange gutmütig“gewesen zu sein. Sie beobachtet, daß ständig LKWs fahren – anders als abgemacht. Und auch der letzte Donnerstag war eine Flaute – „es rummste hier bis 20 Uhr“. Erst daraufhin rummste es gestern auch bei der Gewerbeaufsicht. „Was wir hier erleben, ist doch schließlich nicht normal“, schimpfen die Geschäftsleute. Folglich registrierten sie das amtliche Einschreiten gegen den Baulärm mit Genugtuung.

Fachleute halten die Abrißfirma samt Methoden unterdessen für einen soliden Profi. Ob vielleicht dennoch andere Methoden beim Aufstemmen des dicken Fußbodenfundaments angewendet werden müssen – darüber wird am Montag entschieden. ede

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