: Hochstapelei gegen die Autoflut
Berlin schmückt sich mit der Idee des Car-Sharing und behindert die Expansion von „StattAuto“: Versprochene Stellplätze sind teure Mangelware, BVG verweigert ein „Jobticket“ ■ Von Bernhard Pötter
Das Lob kommt von höchster Stelle: „Car-Sharing leistet einen gesamtwirtschaftlich und ökologisch sinnvollen Beitrag zur Verringerung der Probleme des motorisierten Individualverkehrs“, erklärte Bundesverkehrsminister Matthias Wissmann (CDU) im März 1996. Die Gemeinden sollten Car-Sharing-Organisationen „verstärkt unterstützen, indem geeignete Abstellplätze zur Verfügung gestellt werden“. Darin, so erkennt der Minister, liege „der Schlüssel zu einer erhöhten Anreizwirkung“, das eigene Auto stehenzulassen.
Auch die Berliner Verwaltung lobt die größte deutsche Car-Sharing-Initative „StattAuto“ über den grünen Klee. Die Firma ist eines der knapp fünfzig dezentralen Vorzeigeprojekte, mit denen sich die Hauptstadt bei der Weltausstellung Expo 2000 in Hannover schmückt. Und im „Aktionsplan Berlin spart Energie“, mit dem die Umweltverwaltung vor dem Klimagipfel von 1995 die Zukunftsfähigkeit des Landes beweisen wollte, verpflichtete sich das Land, „zirka 100 Parkplätze von Gebäuden der öffentlichen Hand an Car- Sharing-Unternehmen zu vermieten“.
Doch hinter diesem Versprechen bleibt die Verwaltung weit zurück. „StattAuto“ konnte als einziges Car-Sharing-Unternehmen, das sich um Stellplätze bewirbt, bisher nur für 46 Parkplätze der öffentlichen Hand einen Mietvertrag abschließen – ganze drei vor einer Senatsverwaltung (Verkehr und Betriebe).
Die anderen etwa 50 Plätze sind von den Kirchen oder Privaten gemietet. Lob ist kostenlos, deshalb gibt es soviel davon, meint Markus Petersen, der zusammen mit seinem Bruder Carsten das Unternehmen „StattAuto“ vor acht Jahren gegründet hat. Doch bei der weiteren Expansion der Idee vom Autoteilen fahre die Verwaltung eine „Verhinderungsstrategie“: Stellplätze werden verteuert, eigene Parkplätze für Car-Sharing auf öffentlichem Straßenland werden abgelehnt, ein „Jobticket“ für StattAuto-Benutzer wird von den Verkehrsbetrieben blockiert. Petersen beklagt deshalb zu Recht eine „erhebliche Ignoranz beim Senat“.
So hat die Innenverwaltung 1995 in einer „Stellplatzanweisung“ den Preis für die StattAuto- Parkflächen kräftig angehoben. Das „Entgelt ist nach oben auf den monatlichen Einzelpreis einer BVG-Umweltkarte zu beschränken und fortzuschreiben“, heißt es in der Verordnung.
Für StattAuto bedeutet dies eine Kostenerhöhung von einst rund 40 auf knapp 100 Mark pro Stellplatz. „Wir könnten ohne diese Preissteigerungen billiger und damit attraktiver sein“, meint Carsten Petersen. Außerdem „wachsen wir nicht mehr so schnell wie zu Beginn“. Bislang sind etwa 3.500 Personen Mitglied bei StattAuto.
Beim Wunsch, im öffentlichen Straßenland auf eigenen Flächen zu parken, wie dies etwa Taxis tun, sehen die Car-Sharer rotes Licht. „Im Straßenverkehrsgesetz, das dem Bundesrecht unterliegt, gibt es dafür keine Rechtsgrundlage“, meint Karl-Heinz Winter von der Verkehrsverwaltung. Eigene Flächen dürfe es nur für Behinderte und Anwohner geben. Und anders als Taxis seien die StattAutos kein „Element des öffentlichen Personennahverkehrs“.
Mit einer Intitiative, das Straßenverkehrsrecht auf Bundesebene für die StattAutos zu verbessern, ist das Land Berlin abgeblitzt. Und ein Modellversuch, wie von StattAuto gefordert, könne es nur auf der Grundlage geltenden Rechts geben: Winter: „Da ist nichts zu machen.“
Auch mit der BVG kommen die Betreiber von StattAuto nicht ins Geschäft. Ihr Vorschlag für ein „Jobticket“ stieß bei den Verkehrsbetrieben auf Ablehnung, erzählt Carsten Petersen. „Wir wollten der BVG etwa 3.000 Tickets mit einem Rabatt von 20 bis 30 Prozent abnehmen und an unsere Kunden verteilen.“
Doch die BVG winkte ab. Begründung: Die StattAuto-Kunden seien schließlich nicht – wie für ein Jobticket nötig – Angestellte der Firma. Daher verbiete das Rabattgesetz eine solche Regelung.
Dabei hat CarSharing den Beweis für seine Vorteile schwarz auf weiß – und wiederum von höchster Stelle. Eine Studie des Instituts für Verkehrswissenschaft an der Uni Köln, die im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums erstellt wurde, ergab, daß sich bei den Kunden des Car-Sharing die Fahrleistung im Jahr um 42 Prozent und die Fahrtenhäufigkeit um 61 Prozent reduziert. Bei der Ausschöpfung des bundesweiten Potentials von bis zu 2,45 Millionen Autofahrern, so die Studie, könne sich der Pkw-Bestand in Deutschland um 1,2 Millionen vermindern und die jährlichen Fahrleistungen um 7 Milliarden Kilometer zurückgehen.
Besonders wurmt die Car-Sharer, daß die Senatsverwaltungen bei der Vergabe von Parkraum sehr unterschiedlich verfahren. Während man den StattAutos die Stellplätze als extrem knappes und teures Gut verkauft, zeigen sich die Verwaltungen ihren eigenen Angestellten gegenüber von der großzügigen Seite: Die Verwaltungen vergäben „in rauhen Mengen“ kostenlose Autostellplätze an ihre Angestellten, ärgert sich Markus Petersen.
Wie viele Parkplätze die Verwaltung ihren MitarbeiterInnen als zusätzliche Sozialleistung anbietet, wird nicht zentral erfaßt. „Das ist Sache der Bezirke“, lautet lapidar der Kommentar von der Innenverwaltung.
Doch auch in den Bezirken sind die heiligen Kühe nicht von Schlachtung bedroht. Die Verwaltungen denken kaum daran, die Privilegien ihrer Bediensteten zu beschneiden. Und wenn sie es versuchen, wie letztlich in Kreuzberg, werden sie ausgebremst: Die Idee des grünen Bürgermeister Franz Schulz, für die Behördenparkplätze eine Gebühr zu erheben, wurde vom Personalrat zunächst gestoppt. Begründung: Die Höhe der Gebühr und „der Zwang, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen“.
Die neuen „Fairpreise“ der BVG belasten auch „StattAuto“. Weil die Miete für die Stellflächen bis zur Höhe der Umweltkarte erhoben werden kann, kassiert die Verwaltung bei der Preiserhöhung der BVG gleich mit: „Gemäß des Tarifs „Premium ABC“ erhöht sich der monatliche Mietzins von derzeit 93 Mark pro Stellplatz auf 119 Mark“, schrieb das Landesverwaltungsamt Berlin an das Unternehmen.
Diese schnellste und bislang einzige Erhöhung betraf die Stellplätze An der Urania 2–12: Hier stellt das hochgelobte Unternehmen seine Autos vor dem Haus der Verkehrsverwaltung ab.
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