■ Kulturen- Dialog: Kultur macht sichtbar!
Der Boom der internationalen Kommunikation, das Zusammenrücken der Kulturen, die welweiten Migrationsbewegungen haben den Nationalstaat in eine Krise gebracht. Die Welt ist in den Zeiten der Globalisierung aus den Fugen geraten, konstatiert der Ethnologe Werner Schiffauer im zweiten Teil unserer Serie KulturenDialog. Das Problem von Gruppen und Individuen in dieser Welt ist es, überhaupt wahrgenommen zu werden.
Vier Erzählungen, Narrative, konstituieren diese Welt:
– das Narrativ von der Zweidrittelgesellschaft – sie bringt Gruppen von Überflüssigen, Ausgegrenzten hervor.
– das Narrativ vom Ende des Fortschritts – es wird zwar weiter rapiden ökonomischen Wandel geben, dieser führt aber nicht mehr wie in den sechziger Jahren zu mehr Wohlstand für alle, sondern produziert Ausgrenzung.
– das Narrativ vom Ende des Sozialstaats – der Nationalstaat kann nicht mehr regulierend auf das Problem von Gleichheit und Ungleichheit einwirken.
– das Narrativ von der multikulturellen Gesellschaft – es besagt nicht anderes als das Überholtsein der Nation als Schicksals- und Verantwortungsgemeinschaft. Die Solidarität in der Zivilgesellschaft kann, zum Ärger der Rechten, nicht mehr ausschließlich auf gemeinsame Sprache, kulturelle Tradition und Ansichten begründet werden.
Der Kulturalismus, meint Werner Schiffauer, dient in diesem gesellschaftlichen Rahmen dazu, daß Gruppen und Interessengemeinschaften Kultur inszenieren, um damit letzlich das Recht auf Anerkennung einzuklagen. Ob Skins, Sorben oder Islamisten – indem man eine gemeinsame Kultur beschwört, markiert man für andere und für sich selbst, daß man hier ist. Die einzelnen sprechen dadurch nicht für sich allein, sondern von einer wie auch immer gearteten Gemeinschaft. Es geht beim Kulturalismus letzlich nicht darum , daß sich Gruppen in ihrer Kultur ausdrücken, sondern darum, daß eine gemeinsame Kultur Interessengruppen erst entstehen läßt. Die Berufung auf eine Kultur verleiht Ausdruck und Stimme. Sie macht sichtbar.
Mit unserer Serie „KulturenDialog“ wollen wir die Bedingungen des Kulturaustauschs ins Blickfeld rücken und uns mit den mit den Mechanismen bei der Wahrnehmung des anderen beschäftigen. Wir werben für kulturelle Beziehungsarbeit statt dem immer wieder beschworenen „Kampf der Kulturen“.
Thomas Hartmann/
Edith Kresta
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