: Castor rollt an – die Barrikaden stehen
■ Über 10.000 Castor-Gegner wollen den Atommülltransport nach Gorleben verhindern. Minister: Der Konvoi ist heute abend im Zwischenlager. Baufirmen reparieren zerstörte Straßen. Hohe Strahlenbelastung in Castor-Nähe
Dannenberg (taz) – Als Sitzblockierer im Sonnenschein oder auch als Erdarbeiter mit Schaufel und Spitzhacke: So haben gestern zwischen Dannenberg und Gorleben wieder mehr als 10.000 AKW-GegnerInnen versucht, den Castor-Transport im Sechserpack in das Zwischenlager noch zu stoppen. Die sechs Atommüllbehälter waren schon am frühen Nachmittag mit dem von Blockierern belagerten Kran auf Straßentieflader gehievt worden. Doch zu diesem Zeitpunkt waren den Wagen die Straßen abhanden gekommen. Beide mögliche Routen von Dannenberg nach Gorleben waren von Castor-Gegnern unterhöhlt worden. Straßenbautrupps bemühten sich, zumindest die nördliche Route über Quickborn wiederherzustellen. Unterbau und und Decke der Straße würden erneuert, sagte der Landrat des Kreises Lüchow-Dannenberg gestern nachmittag. Trupps von Castor-GegnerInnen versuchten, dies nach Kräften zu behindern. Niedersachsens Innenminister Glogowski kündigte an, der Castor-Konvoi werde heute abend auf jeden Fall im Zwischenlager ankommen.
Die Polizei räumte gegen 15 Uhr mit einem Knüppeleinsatz eine Sitzblockade hinter Quickborn. 300 Demonstranten waren eingekesselt worden, 90 von ihnen wurden bei der Räumung festgenommen. Alle wurden erkennungsdienstlich behandelt. Sie hätten mit „Werkzeug, Steinen und Farbbeuteln“ geworfen, lauteten die Polizeivorwürfe. Augenzeugen allerdings sprachen von einer „völlig friedlichen“ Aktion. Weitere 50 Demonstranten wurden im Wald beim Treffpunkt zwischen Nord- und Südroute nach Gorleben festgenommen. Die Südroute über Splietau ist durch eine riesige Untertunnelung unpassierbar. Der Sprecher der BI Lüchow- Dannenberg zog gestern eine positive Zwischenbilanz der Blockadeaktionen: „Wir haben hier schon jetzt gezeigt, daß solche Transporte bei uns zumindest nicht einfach passieren können“, sagte Wolfgang Ehmke.
An den an der Verladestation geparkten sechs Castor-Behältern maß die Umweltorganisation Robin Wood gestern eine Strahlung von bis zu 0,24 Millisievert pro Stunde in 2 Meter Abstand vom Behälter. Eine Strahlung in dieser Höhe wurde nach Angaben des Umweltministeriums in Hannover auch von TÜV-Experten bei einem der beiden Behälter aus der französischen Wiederaufbereitungsanlage La Hague gemessen. Das Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit in München dagegen sprach von einem „Einzelwert“. Greenpeace erklärte: „Nach unseren Messungen wird in ein bis zwei Meter Abstand zum Castor innerhalb einer Stunde die Höchstdosis für Neutronenstrahlung, die die Strahlenschutzverordnung zuläßt, überschritten.“ Diese läßt bei Normalbürgern eine Jahresdosis von 0,3 Millisievert zu. Für Polizisten indes gelten andere Werte. Die Polizeirichtlinie des Bundes läßt 1,5 Millisievert pro Jahr zu, die niedersächsische 1,0 mS. Nach Angaben des Umweltministeriums werden die in der unmittelbaren Nähe der sechs Castor-Behälter eingesetzten Polizisten alle vier Stunden ausgetauscht. Jürgen Voges
Tagesthema Seiten 2 und 3
Kommentar Seite 10
Reportage und Porträt Seite 11
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen